Oder: Mal wieder Propaganda gegen den Sozialstaat
„Irrtum“ oder Kalkül?
Der übliche „Sparinstinkt“: Der Finanzminister verrechnet sich kurz vor der Wahl, nachher kommt heraus, dass Österreich ein Maastricht-Verfahren droht, Klimabonus und Klimaticket seien angeblich maßgeblich schuld daran - woher soll das Geld wieder zurückfließen? Richtig, aus dem Budget für den öffentlichen Dienst. Wieso eigentlich? Warum nicht die Ausgaben für den öffentlichen, oder gar individuellen Verkehr um 4% kürzen, warum nicht die Schulpflicht um zwei Jahre verkürzen, oder die inflationsbedingte Gehaltsanpassung für alle Branchen mit der Höhe des Existenzminimums deckeln, oder vielleicht gar die Einkommenssteuer linear um 4% erhöhen? Wieso nur und ausgerechnet der öffentliche Dienst?
Was tun „die Beamten“?
Vielleicht lohnt es sich, die Bedeutung der Leistungsfelder der öffentlich Bediensteten (Beamtete und Vertragsbedienstete) aus dem Gedächtnis zurückzuholen und sich zu vergegenwärtigen, was öffentliche Güter sind, wieso diese in der Regel aus Steuergeldern finanziert werden und damit Leistungen bezahlt werden, die wir alle im Laufe des Lebens konsumieren (müssen). Dazu zählt Bildung mit ihren schillernden Facetten, deren Aufgabenbereich sich niemals vollständig ausgliedern lassen wird und deren Bedeutung seit Jahrzehnten unterschätzt und unterbudgetiert wird. Dennoch wird im Zusammenhang mit Leistungen des öffentlichen Dienstes reflexartig alle Jahre wieder der regelmäßig gleiche Katalog von Vorurteilen geöffnet: Die Bediensteten hätten ein überdurchschnittliches Einkommen und Jobsicherheit. Wie aber sieht es in der Praxis tatsächlich aus?
Lüge von „Privilegien“
So hat man sich zum Beispiel für die Beschäftigten der österreichischen Nationalbibliothek nach jahrelangem bislang erfolglosen Kampf um einen Kollektivvertrag, heuer wenigstens auf einen Mindestlohn in Höhe von 2.050,-- Euro brutto geeinigt. Überdurchschnittliches Einkommen, echt jetzt? In Bereichen der Justiz liegen die Gehälter deutlich unter dem Kollektivvertrag für vergleichbare Tätigkeiten in der Privatwirtschaft. In vielen ausgegliederten Betrieben gibt es für weite Strecken der Dienstzeit überhaupt keinen Kündigungsschutz mehr bzw. höchstens jenen, der in der Privatwirtschaft gilt. Bei den Ruhestandsbezügen hat es schon vor vielen Jahren eine Angleichung an die ASVG Pensionen gegeben. Dass man sich im öffentlichen Dienst keine Sorgen um den Bestand einer Beschäftigung machen braucht, ist demnach blanker Unsinn, Pragmatisierung gibt es nur mehr in jenen Segmenten, wo viele Beamtete besonders hoher politischer Beeinflussung ausgesetzt sind, wie z. B. im Bereich der Justiz.
„Beamten“ sichern stabile Verwaltung
Im Gegensatz zu Angestellten im Privatsektor sind Beamte und Vertragsbedienstete langfristig an den Staat gebunden. Diese Kontinuität sorgt für Stabilität in der Verwaltung und gewährleistet, dass wichtige Aufgaben auch in schwierigen Zeiten zuverlässig erledigt werden. Das sollte so bleiben! Sie sind verpflichtet, unparteiisch und objektiv zu handeln. Sie sind nicht an kurzfristige politische Interessen gebunden und treffen ihre Entscheidungen allein nach rechtlichen Gesichtspunkten. Mit ihrem ausgewiesenen Fachwissen und ihrer langjährigen Erfahrung sind sie von unschätzbarem Wert für die Qualität der öffentlichen Verwaltung. Sie verstehen sich als Dienstleister:innen für die Bürgerinnen und Bürger; man denke etwa an den enorm wichtigen Bereich des Gesundheitswesens. Sie setzen sich für das Wohl der Allgemeinheit ein und tragen zur Gestaltung einer gerechten und sozialen Gesellschaft bei. Eine angemessene Bezahlung ist eine wichtige Voraussetzung, um diese Fachkräfte anzuwerben und im Dienst zu halten. Dies trägt auch dazu bei, die Gefahr von Korruption zu verringern. Schlussendlich leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Stabilität, Sicherheit und Funktionalität unseres Staates.
Alte Märchen in alter Verpackung
Endlich sollte man der Realität ins Auge sehen und damit aufhören, alte Märchen penetrant über Jahrzehnte zu wiederholen, wie z. B. das angeblich höhere Lohnniveau der öffentlich Bediensteten gegenüber Angestellten in der Privatwirtschaft. Das Gegenteil ist der Fall. Wie anders ließe sich erklären, dass die GÖD für Attraktivität der Arbeitsplätze kämpfen muss, um den öffentlichen Dienst auf dem Arbeitsmarkt wieder konkurrenzfähig zu machen. Bleiben wir doch bitte bei den Fakten! Selbst im universitären Bereich sucht man mittlerweile händeringend exzellent ausgebildetes Personal aus fast allen Sparten, das sich reihenweise seine Jobs in der Privatwirtschaft sucht und sich nicht im tertiären Bildungsbereich prekär beschäftigt zufrieden stellen lässt.
Respektlosigkeit
Die Forderung nach einer Nulllohnrunde für die im öffentlichen Dienst Beschäftigten ist eine klare Respektlosigkeit diesen Menschen gegenüber, eine Missachtung ihrer Arbeitsleitung und nichts Anderes als ein billiges politisches Kalkül, sich vermeintlich widerstandslos an dieser Gruppe bereichern zu wollen. Egal, wie die künftige Regierung aussieht und egal, wie der Nationalrat zusammengesetzt sein mag: Wenn Grundlagen der Vernunft und der Fairness verlassen werden, dann gefährden wir die Garantie staatlicher Leistungen, die sonst niemand übernimmt, es sei denn, wir verlassen uns darauf, dass man mit veterinärmedizinischen Wurmmitteln gefährliche Infektionskrankheiten behandeln kann.
Ingo Hackl, Vorsitzender der UGÖD
Stefan Schön, Pressesprecher der UGÖD