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Der Pflichtverteidiger des Bundeskanzlers

Wie der parteilose Arbeitsminister Kocher seinem Bundeskanzler zur Seite steht

Ein Mann mit Glatze versteckt sich unter dem Tisch

Kochers Verteidigungsarbeit für Kanzler Nehammer in der Pressestunde vom 1.10.2023 beginnt mit Belobigung der Regierungsarbeit: Höchste Sozialquote und die sozialste Regierung seit Jahrzehnten, später kommt das höchste Budget aller Zeiten für das Arbeitsmarktservice hinzu. Wenn dennoch so viel Kritik kommt, kann man schon in Rage geraten und bei der Wortwahl die Wertschätzung zu kurz kommen lassen. Doch sei dies eben nur der Ausschnitt einer Rede gewesen, die – nicht für die Öffentlichkeit gedacht – im kleinen Kreis in einem anderen Kontext eine andere Polarisierung darstelle als etwa im Parlament. Es gibt in Österreich keine weitverbreitete Armut, das zeigen die Zahlen. Welche Zahlen? Hier fehlten die Folgefragen des ORF auf schmerzliche Weise. Wenn nur ein Kind im Land hungert, so tut es das nicht weitverbreitet, sondern ab wann? Wenn zehn, hundert, zwanzigtausend Kinder mithungern?

 

Sozialpartnerschaft

 

Nach dem Wechsel auf fachlich besser abgesichertes Terrain kommt die Sozialpartnerschaft ins Spiel, die Nehammer sicherlich nicht „generell“ kritisieren und auch nicht zurückdrängen wollte. Kocher gibt aber unumwunden zu, dass die 3.000,-- Euro-Teuerungsprämie in den Kollektivverträgen nicht so abgebildet wurde, „wie wir uns das gewünscht hätten“. Das sei für die Inflation nicht ideal gewesen, aber für die Kaufkraft der Arbeitnehmer:innen gut. Auch ein historischer Ausflug in die Zeit hoher Inflationsraten in den 1970er Jahren, als die Lohnpolitik noch im Einklang mit der Stabilitätspolitik war, ebenso wie die Aussagen zum Wunschmodell Kochers des degressiven Arbeitslosengeldes machen klar: Es wäre das alles besser gesetzlich geregelt, anstatt Erlässe zu strapazieren und die Sozialpartner werken zu lassen.

 

Demgegenüber bekräftigen wir unsere Forderungen:

  • Die Mitwirkung der Sozialpartner in sämtlichen Angelegenheiten zur Bewahrung des sozialen Friedens muss gesetzlich verankert werden.

  • Die Pflichtmitgliedschaft bei den Arbeiterkammern muss verfassungsgesetzlich gewährleistet werden.

  • Budgetmittel für freiwillige Berufsvereinigungen müssen im Zuge des Finanzausgleichs festgelegt werden.

Wir, die unabhängige GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst und in ausgegliederten Betrieben (UGÖD) fordern dies zur Absicherung sozialer Rechte, damit diese auch mit durchsetzbaren Rechtsansprüchen zwingend verknüpft werden. Es ist bezeichnend, dass der Arbeitsminister gesetzliche Regelungen zur normativen Umsetzung seiner Reformideen (Kürzung des Arbeitslosengeldes, Lohnzurückhaltung zur Inflationsbekämpfung) fordert, andererseits jedoch einen gesetzlichen Anspruch auf eine Arbeitszeitverkürzung strikt ablehnt und hier plötzlich auf den Gestaltungsspielraum der Sozialpartner hinweist.

 

 

Doch Arbeits- und Sozialpolitik ist kein Wunschkonzert, sondern mit der Wahrnehmung politischer Verantwortung verbunden.

 

Das bedeutet in diesem Kontext, dass Armut in unserem Land eliminiert gehört und nicht nur auf ein geringes Maß eingeschränkt, und zwar auch dann, wenn der Kontext des Bundeskanzlers an jenem Julitag in einer Vinothek in Hallein ein anderer gewesen sein mag.

 

 

Stefan Schön

UGÖD Pressesprecher

 

 

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