Nachschulung und Weiterbildung für sicherheitspolizeiliche Behörden erwünscht

Moralischer Hürdenlauf am Kärntner Grenzweg in den Karawanken
„Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.“
Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz galt auch am Sonntag, den 27. Juli 2025, dem Tag des Einsatzes teils bewaffneter Exekutivbeamt:innen von vier Verwaltungsbehörden gegen den Verein und das Museum Peršman, sowie gegen den Klub slowenischer Student*innen in Wien wegen behaupteter Verwaltungsübertretungen nach dem Kärntner Campingplatz- und Naturschutzgesetz. Der Einsatz fand während eines mehrtägigen – wie auch schon im Vorjahr abgehaltenen – und erst im April 2025 mit dem Ernst-Kirchweger-Preis für antifaschistische Jugendbildungsarbeit des KZ-Verbands ausgezeichneten internationalen antifaschistischen, Bildungscamps statt. Das Peršman Museum, Träger des Österreichischen Museumsgütesiegels, befindet sich an einem abgelegenen Ort in Kärnten nahe der slowenischen Staatsgrenze.
Aufgrund der Aussagen des stellvertretenden Kärntner Landespolizeidirektors und des slowenischen Botschafters in Wien ergibt sich bis zum heutigen Tag folgendes Bild vom Sachverhalt:
o 2024 wurde eine Prüfhandlung eines einzigen Polizisten innerhalb
von fünf Minuten durchgeführt. 2025 dauerte der Einsatz von drei Polizeistreifen, Beamten des Landesamts Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE), des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl
(BFA) sowie der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt
vier Stunden.
o An dem Einsatz am 27. Juli 2025 waren ein Jurist, eine Hundestaffel, Drohnen und ein Hubschrauber zum Einsatz gekommen. Dies offensichtlich, um anhand der gesetzlichen Grundlagen Folgendes zu klären:
Wird das Camp von mehr als zehn Campinggästen genutzt? Wird in freier Landschaft gezeltet?
Handelt es sich um ein temporäres Zeltlager im Rahmen von öffentlichen, ohne Ertragsabsicht durchgeführten Freiluft-Veranstaltungen?
Ein sinnhafter Zusammenhang der eingesetzten Mittel und der Einsatzdauer mit dem gesetzlichen Rechtsschutzziel Naturschutz kann aus
den Angaben des stv. Landespolizeidirektors nicht abgeleitet werden.
o Hingegen kam in einem Interview mit dem stv. Landespolizeidirektor für den ORF unmissverständlich zum Ausdruck, dass eine wesentliche Motivation des akkordierten Behördeneinsatzes in der Bewertung bestand,
dass die Workshopteilnehmer:innen einen sittenwidrigen Umgang mit der Gedenkstätte an den Tag legen würden. Dass ein hochrangiger Behördenleiter persönliche Befindlichkeiten zum Wortlaut eines
Banners als Rechtfertigung für einen sicherheitspolizeilichen Einsatz ins Treffen führt, ist eine schwerwiegende Verkennung der Sach- und Rechtslage und deutet auf einen kläglichen Versuch hin,
sich mit einer Schutzbehauptung aus der Affäre ziehen zu wollen.
o Den Rechtsrahmen für das Einschreiten von Behörden legt unmissverständlich das Gebot der Verhältnismäßigkeit fest, indem es die Zulässigkeit für Eingriffe in Rechte von Menschen am Anlass und am angestrebten Erfolg bemisst. Also bitte messen wir und stellen wir die Kosten, den Aufwand und den gesamten Ressourcenverschleiß der Strafandrohung bei Übertretungen nach dem Kärntner Campingplatzgesetz gegenüber: Geldstrafe bis 2.500 Euro! Dies rechtfertigt niemals mehrfache datenschutzrechtliche Eingriffe, Drohnen, Hunde und einen Hubschrauber, der in einer Bergregion wichtigeren Aufgaben vorbehalten bleiben sollte.
Es wird also ein durchaus komplexes juristisches Nachspiel geben müssen und, klar, es gilt die Unschuldsvermutung.
Es gibt jedoch in weit größerer Dimension den Bedarf an Wahrnehmung politischer und gesellschaftlicher Verantwortung in unserem Land,
in dem auch, nicht nur, aber leider sehr heftig, politische Kräfte ihren Ausgang genommen haben, die zur Katastrophe des 2. Weltkriegs geführt haben. Das ist eine Tatsache und kein Argument für
kollektive Schuld. Es gibt viele Menschen aus mittlerweile unterschiedlichen Generationen, die sich engagiert und aufrichtig mit dieser Zeit außerordentlichen Unrechts und ebensolcher Grausamkeit
beschäftigen und unermesslich wichtige Aufklärungsarbeit leisten. Dazu zählen jene, die am Gedenk- und Lernort Peršmanhof in der Südkärntner deutsch/slowenisch gemischtspachigen Gemeinde Bad
Eisenkappel/Železna Kapla forschen, präsentieren,
kommunizieren und einen traurigen Teil der österreichischen Geschichte aufbereiten, zur Diskussion stellen, reflektieren und nachfolgenden Generationen wichtige Ergebnisse zur Verfügung
stellen.
Und weil sich darunter Nachfahren ermordeter Opfer befinden, machen diese besonders eindringlich darauf aufmerksam, dass man so
grundsätzlich mit keinem Menschen umgehen darf, wie es ihnen am 27. Juli 2025 ergangen ist.
Die Reaktionen aus Österreichs politischer Landschaft können den Medien authentisch entnommen werden. So gibt es etwa einerseits eine politische Partei, die den behördlichen Einsatz unreflektiert befürwortet – und andererseits einen, von dem die Republik wieder einmal erwartet, dass er die peinliche Sache in Ordnung bringt, nämlich den Bundespräsidenten. Allgemein verstärkt sich aber mittlerweile die Tendenz, dass man statt passivem Fremdschämen Initiative ergreifen sollte, Standpunkte beziehen, dagegenhalten und aufstehen sollte.
Wir haben gelernt zu hinterfragen. Wir haben begonnen zu bemerken, dass wir von „demokratischen“ Despoten umzingelt sind. Uns wurde
erklärt, was ein Angriffskrieg ist und wir spüren intuitiv, dass es einen solchen auch mit wirtschaftlichen Mitteln gibt. Während der Pandemie haben wir gelernt von Kurzarbeit zu leben, garniert
mit gut 100% Preiserhöhung bei Energieträgern. Wir sind umzingelt von Expert:innen und ihren Ratschlägen:
Gürtel enger schnallen.
Nicht so viel Sparguthaben aufbauen, weil: Die Wirtschaft braucht das Geld. Lohnzurückhaltung, weil: Die Betriebe sind sonst am Weltmarkt nicht konkurrenzfähig. Vollzeit arbeiten, weil: Teilzeit ist angeblich asozial.
Pensionsalter erhöhen, weil: Der vorletzte Finanzminister hat das Defizit falsch berechnet.
Ein falsch aufgestelltes Zelt – Bedrohung aus der Luft, von Hunden, mit Waffen, …
Ein falsch angekreuzter Stimmzettel – ?
Ein falsches Wort, in einer falschen Sprache …
Aus all diesen Gründen – und noch vielen mehr – brauchen wir einen entschlossenen Kampf gegen den Faschismus.
Stefan Schön, Pressesprecher