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Lehrer:innenmangel an den Schulen – Chronologie eines Desasters

Gary Fuchsbauer im KroneTV-Interview

Das Interview ist auf Krone.at online.

 

Gary Fuchsbauer spricht aus Erfahrung, sachlich, ruhig und kompetent. Seine Anliegen brauchen kein Geschrei, keine respektlosen Untertöne und keine Untergriffe. Er beantwortet Fragen, die ihm gestellt werden, unaufgeregt. Er sagt, was ist, und zwar:

 

Vor etwa zehn Jahren wurde ohne sozialpartnerschaftliche Einigung ein neues Dienstrecht für Lehrer:innen beschlossen. Damals setzten sich die Justamentstandpunkte von Regierung und Parlament durch. Obwohl bereits 1999 eine Arbeitszeitstudie den Beschäftigten an den Schulen attestierte, dass die Arbeitszeit generell und die Belastungen für Neueinsteiger:innen (schon damals) viel zu hoch waren, wurde die Lehrverpflichtung mit einem Plus von drei Stunden drastisch erhöht. Das Unterrichtspraktikum wurde abgeschafft und stattdessen eine sogenannte Induktionsphase neu geschaffen. Diese Induktionsphase startet nun 1-2 Wochen vor Schulbeginn mit einer „Bezahlung“ von 180,-- Euro pro Woche. Ein solcher Vorgang wäre in der Privatwirtschaft undenkbar. Mit diesem „Einstiegsgeschenk“ werden also vollbeschäftigte Neueinsteiger:innen beim Dienstantritt entlohnt, wahrlich ein „Super-Einstieg“! Angesichts negativer Erfahrungen mit extremen Überbelastungen des Lehrpersonals ist neuerdings vorgesehen, keine Überstunden wenigstens im ersten Jahr zuzulassen. Faktum ist, dass durch die vorhersehbare – und keineswegs überraschend auftretende – Pensionierungswelle das aktuell zahlenmäßig reduzierte aktive Personal komplett überfordert ist und neuerdings Nachfragen nach Kündigungsmodalitäten und deren rechtlichen Voraussetzungen stellt. Fuchsbauer kann das aus eigener Erfahrung im Rahmen seiner Beratungstätigkeit als Personalvertreter bestätigen. Das sollte von den Verantwortlichen als Alarmzeichen dafür verstanden werden, dass es im System nicht stimmt. Stattdessen starten fragwürdige Initiativen wie „Klasse-Job“, mit denen allfällige Jobinteressent:innen geködert werden. Argumentativ wird mit 24-Stunden-Teilzeitbeschäftigung geworben, was angesichts des Anforderungsprofils und der Realität am Arbeitsplatz Schule schlichtweg weltfremd ist. Kein Wunder, dass aktiv Beschäftigte aus anderen Branchen niemals mit Lehrer:innen tauschen würden. Zu einer Unterrichtsstunde muss nämlich die Vor- und Nachbereitungszeit hinzuaddiert werden, was sich in den ersten Jahren auch daraus ergibt, dass praktische Kompetenzen im Studium nicht ausreichend vermittelt werden. Hinzu kommen anschließende Beratungsgespräche mit Schüler:innen und Eltern. Die erwähnte Arbeitszeitstudie hat gezeigt, dass Arbeitsleistungen der Lehrenden bei weit mehr als 40 Stunden pro Woche liegen. Fuchsbauer verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es die 40-Stunden-Woche fast nur mehr im öffentlichen Dienst gibt. Die Ankündigung einer neuen, aktuellen Arbeitszeitstudie liegt seit vier Jahren auf Eis, wahrscheinlich weil den Verantwortlichen das Ergebnis nicht gefallen würde. Die Belastung ist sehr, sehr groß – das wissen alle!

 

Die Arbeitsbelastung im Lehrberuf

 

Die Unabhängigen Gewerkschafter:innen im öffentlichen Dienst weisen seit Jahren darauf hin, dass Bildung kostet. Sie kritisieren die komplett falsche Haltung, die sich so zusammenfassen lässt: „Wir haben die Arbeitszeit erhöht und jetzt müsst ihr es einfach schaffen.“ Arbeitszeiten von über 40 Stunden die Woche sind der Normalfall. „Man kann nicht als Lehrer nach Dienstschluss nach Hause gehen“, sagt Fuchsbauer und das sei in der Zeit der Pandemie noch verschärft worden: Stellen Schüler:innen Fragen in der Nacht per Email, so erwarten sie Antworten in der Früh. Die physische und psychische Belastung der Lehrenden endet somit nicht mit dem Ende des Unterrichts. Auch die überbordenden administrativen Zusatzaufgaben während der Pandemie und danach wurden nicht abgefedert. Es gibt keine Erleichterungen und die administrative Belastung hat sich nicht geändert. Schon vor zehn Jahren wurde mehr administratives Personal für die Pflichtschulen versprochen. Der Plan damals war: Lehrposten einsparen und dafür mehr Verwaltungspersonal neu anstellen! Doch Lehrpersonal einzusparen war damals schon absurd. Ähnlich zu bewerten ist der Mangel an sonderpädagogischem Personal. Man kann eben nicht sagen, das Budget soll gleich belassen werden und damit „alles besser gemacht werden".

 

Befristet und nebenbei?

 

Neue Kräfte kann man nur mit besseren Arbeitsbedingungen in die Schule locken. Dazu zählt, dass unbefristete Dauerverträge möglichst bald nach dem Einstieg vergeben werden sollten. Befristungen mit organisatorischen Gründen zu rechtfertigen ist abwegig, wenn man die Leute braucht. Außerdem führen die Befristungen zu absurden sozialen Resultaten beim Schwangerschaftsfall im Hinblick auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld und den Wiedereinstieg.

 

Starke Kritik übt Fuchsbauer auch an dem Leitgedanken, dass Lehrtätigkeit nebenbei ausgeübt werden könne. Genau das liegt jedoch im Konzept der neuen Lehrer:innenausbildung: In den ersten Jahren der Lehrtätigkeit soll nebenbei das Masterstudium gemacht werden, das sind  60-90 ECTS-Punkte neben dem Job.

 

Forderung nach Budget und Dialogkultur

 

Den Lehrberuf attraktiver zu machen kostet Geld. Speziell Corona hat uns gelehrt, dass wichtige Maßnahmen Geld kosten. Auch Bildung kostet Geld. Was man in Bildung investiert, kommt jedoch in Form von weniger Sozialleistungen zurück. Deshalb muss uns Bildung etwas wert sein. Demgegenüber war es 2017 das falsche Signal, die zulässigen Höchstzahlen an Schüler:innen pro Klasse abzuschaffen.

 

Zuletzt noch ein Einblick in die politische Diskussionskultur: Bildungsminister Faßmann, der „von der Wissenschaft kam“, stellte sich dem Dialog mit allen Gewerkschaftsfraktionen und er verfügte für die Zeit der Pandemie immerhin, dass während der Induktionsphase keine Überstunden zu leisten waren, kein Dienst als Klassenvorstand im ersten Berufsjahr zu leisten war, sowie kein fachfremder Unterricht. Beim aktuell amtierenden Minister Polaschek hingegen gab es keine Reaktion auf Gesprächswünsche, was aus Sicht des stv. UGÖD-Vorsitzenden Fuchsbauer gegenüber einer Gruppe, die immerhin in vielen Bereichen die zweitstärkste Fraktion ist, nicht korrekt ist.

 

Stefan Schön
UGÖD Pressesprecher