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Stellungnahme zum Bundesgesetz über das Institute of Digital Sciences Austria

Ein Forscher hält eine kleine Pflanze zwischen den Fingern

Grundsätzliches

 

Mit dem Entwurf soll ein neuer Typ einer Bildungseinrichtung geschaffen werden, der zwischen Fachhochschule und Universität liegt. Mit der Schaffung eines eigenen gesetzlichen Rahmens wird bewusst auf die langjährige Erfahrung mit Regelwerken tertiärer Bildungseinrichtungen verzichtet und eine Konstruktion sui generis ohne erkennbaren Gewinn eingerichtet. Die digitale Hülle blendet und hat den Anschein der Modernität. Sie kann weder eine eigenständige Forschungsdisziplin noch nachhaltige Fachexpertise aufweisen oder selbständig aufbauen, sondern ist auf den wissenschaftlichen Nachwuchs anderer Universitäten angewiesen. Die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt wird konterkariert, weil schnelle Abschlüsse infolge fehlender Qualitätsstandards die Absolvent:innenzahlen an anderen nationalen Bildungseinrichtungen reduzieren werden.

 

 

Errichtung und Rechtsstellung

 

Die neue Universität hat schon auf Grund der Genese ihrer Entstehungsgeschichte den Charakter einer föderalen Bildungseinrichtung, was jedoch mit der gesetzlichen Regelung zur Finanzierung in § 1 (2) nicht zum Ausdruck kommt, weil die „Art. 15a-Vereinbarung" zur Mitfinanzierung durch das Land Oberösterreich unzureichend ist. Sollte mit der Einrichtung der neuen, originären Universität eine schleichende Kompetenzverschiebung für den tertiären Bildungsbereich hin zu den Ländern verbunden sein, so tritt der ULV diesem Ansinnen entschieden entgegen. Anleihen beim amerikanischen System der Finanzierung durch Gliedstaaten sind im österreichischen Bildungswesen unangebracht. Die Universität soll – wie es das Universitätsgesetz vorsieht – als juristische Person öffentlichen Rechts eingerichtet werden. Im Zusammenhang mit dem Hinweis auf Art. 81c Abs. 1 B-VG ergibt sich die erkennbare Absicht, die Grundprinzipien und wesentlichen Gestaltungsmerkmale des für alle öffentlichen Universitäten geltenden Universitätsgesetzes auch auf diese Neugründung anzuwenden. Die vielfachen Verweise auf das UG sind ein klares Indiz dafür. Als Beispiel sei auch auf die ausdrückliche Geltung des § 12b UG zur Verbindlichkeit des Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplans verwiesen, die nur im Kontext des gesamten UG zur Berücksichtigung des „Gegenstromprinzips" über die Leistungsvereinbarungen hergestellt werden kann. Andernfalls wäre die verfassungsrechtlich gewährleistete Autonomie verletzt.

 

 

Aufgaben

 

Die §§ 3 ff verdeutlichen eine eigentümliche Hilflosigkeit beim Versuch der Festlegung von Fachbereichen und Zielen. Eine Bildungseinrichtung, die gemäß § 2 im Wesentlichen interdisziplinär und transformativ wirkend ausgerichtet ist und zu bestehenden Systemen keine Duplizität aufweist, kann per se keine eigenen Fachbereiche aufweisen und weiterentwickeln. Das in Fachbereichen generierte Wissen wird "nur" digital genutzt und transformiert. Die Normierung von „anwendungsbezogener" Universitätsausbildung, oder die „neuen Zugänge" zu den Künsten verlassen ohne ersichtlichen Grund die im UG verankerten Prinzipien von forschungsgeleiteter Lehre bzw. Entwicklung und Erschließung

 

der Künste. Sollte wirklich eine einschränkende Idee dahinter verborgen sein, so verzichten die Kunstuniversitäten gerne auf die vollmundig vorgetragene Betonung künstlerischer Disziplinen. Dass internationale Mobilität, somit eine allfällige Eigenschaft der Universitätsangehörigen, als leitender Grundsatz „der Universität" firmiert, kann nicht wirklich ernst genommen werden. Die „weltweite Rekrutierung" von Lehr- und Forschungspersonal wird in § 22 (2) unverständlicher Weise auf die Gruppe der Universitätsprofessor:innen eingeschränkt.

 

 

Studienrecht

 

Für die Festlegung von Studiengebühren an dieser Universität fehlt die gesetzliche Grundlage. § 4 (4) ist verfassungswidrig (VfGH 19775). Die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Universität und Studierenden dürfen keinesfalls auf privatrechtlicher Basis erfolgen. Dies untergräbt den Rechtsschutz für die Studierenden und stellt sie vor massives Prozessrisiko samt Kostenfolgen. Über subjektive Rechte der Studierenden soll nach den Bestimmungen des UG weiterhin mit Bescheid zu entscheiden sein, und zwar auch dann, wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet ist. Der Hinweis in den Materialien, dass solche Streitigkeiten kaum vorkommen, ist blanker Zynismus und führt zur Frage, wozu dann die geplante Änderung überhaupt gut sein soll.

 

Leitung, Organisation, Rechtsaufsicht

 

Der/Dem Präsidentin/Präsidenten werden personalrechtliche Kompetenzen zugeschrieben, die in § 9 (1) Z 7, 8 u. 12 sehr missverständlich angeführt sind. Die Trennung der Beschäftigungsverhältnisse in Z 7 und 8 erschließt sich nicht, da offensichtlich alle Arbeitsverhältnisse von der/dem Präsidentin/Präsidenten abzuschließen sind. Zwischen den Bezeichnungen Dienst- und Arbeitsvertrag besteht rechtlich kein Unterschied. Vollkommen unklar ist die Verwendung des Wortes „sonstigen", wenn doch offensichtlich alle übrigen Verträge gemeint sind. Zu klären wäre überdies, ob mit „sonstige" Dienstverträge möglicherweise freie Dienstverträge gemeint sein sollen. Die eigene Kategorie der Z 12 „Erteilung von Lehraufträgen" würde nur dann Sinn machen, wenn es sich hier weder um Dienstverträge, noch um sonstige Dienst-, Arbeits- oder Werkverträge handeln würde. Was aber sollte es sonst sein? Sehr merkwürdig ist auch die Kompetenz zur Entscheidung über „Widersprüche betreffend studienrechtliche Angelegenheiten". Ein Grund mehr, dass solche Entscheidungen unbedingt in Bescheidform erfolgen müssen! Auch die in Z 18 normierte „Nichtigerklärung" von Beurteilungen kann nur hoheitlich erfolgen. In Z 19 handelt es sich um das offensichtliche Eingeständnis, dass es am IDSA kein Doktoratsstudium geben kann. Mangels venia docendi können nur „übliche" akademische Grade vergeben werden. Aufgrund zwingender Bestimmungen der Arbeitsverfassung ist dem Betriebsrat entgegen § 10 (10) Sitz und Stimme im Kuratoium zuzugestehen. Die Anweisung, auf geschlechtergerechte Repräsentanz „achten" zu müssen, entspricht nicht dem heutigen Standard zum Gleichheitsgebot, Diskriminierungsverbot und Gender. Zur Rechtsaufsicht ist anzumerken, dass diese die Aufsicht über die Einhaltung der (alle!) Gesetze und Verordnungen umfasst und Entscheidungen im Widerspruch zu Gesetzen oder Verordnungen aufzuheben sind. Damit kommt klar zum Ausdruck, dass das Universitätsgesetz mitgemeint sein muss. Das im § 14 (6) vorgesehene Sanierungskonzept übersieht, dass Unis nicht über Mittel verfügen, sich mit Systemen zu versorgen, die kapitalgesellschaftsrechtlichen Standards entsprechen. Das Finanzierungsvolumen ergibt sich ohnedies aus den Leistungsvereinbarungen. Die Mitbestimmungsrechte sind im gesamtorganisatorischen Ansatz völlig unzureichend. Ein institutioneller Schutz gegen das Gleichheitsgebot fehlt komplett.

 

 

Personalrecht

 

Es ist bemerkenswert, dass das IDSA das intensiv diskutierte und kritisierte Kuriensystem an den Universitäten nicht auflösen, sondern über die Verankerung in Verwendungsgruppen endgültig einzementieren will. Darüber hinaus fehlt jeder Hinweis darauf, an welcher dienstrechtlichen Eigenschaft die Zugehörigkeit zum Stammpersonal festgemacht werden soll. Ist es die Entfristung, die Vollbeschäftigung, oder ein bestimmtes Mindestgehalt? Bedenklich ist, dass ausländische Arbeitnehmer:innen nur als „Stammpersonal" vorgesehen sind! Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sämtliches übriges Personal nicht aus Ausländer:innen rekrutiert werden darf. Der ULV hofft wohlwollend, dass es sich hier um ein Redaktionsversehen handelt. Ein bestimmtes Beschäftigungsausmaß (mindestens 50%) zum Kriterium für die Beschäftigung von Personen ab Post-Doc-Qualifikation zu machen, ist grotesk, weil sich das Ausmaß mehrmals ändern kann und Regelungen für Mutterschutz und Karenz ausgehebelt würden. Die Gegenüberstellung von künstlerisch, berufspraktisch u. didaktisch qualifiziertem Personal in § 22 (2) Z 2 lit a u. b zum „sonstigen" wissenschaftlichen und künstlerischen Personal der Universität macht überhaupt keinen Sinn, solange keine Rechtsfolgen mit dieser Einteilung verknüpft sind. Abs 3 schränkt die Kollektivvertragsautonomie unzulässig ein. Die Kollektivvertragspartner:innen können kraft ArbVG selbstverständlich den Uni-KV vereinbaren, wenn sie sich darauf verständigen. § 22 (39) ist daher rechtswidrig.

 

 

Schlussbemerkung

 

Bedenkt man die schon in der Anfangsphase auftretenden Schwierigkeiten und Verzögerungen, die extrem geringen Personal- und Studierendenzahlen, sowie die enorme Geschwindigkeit in der Entwicklung digitaler Technologien, so stellt sich die Frage, ob die angestrebten Zielsetzungen nicht wesentlich schneller und effizienter erreicht werden würden, wenn diese neue "Universität" mitsamt den veranschlagten Mitteln in eine bestehende Bildungseinrichtung mit bereits etablierten Strukturen, Studien und personellen Ressourcen eingebettet werden würde.

 

 

Wien, am 8.1.2024

 

Stefan Schön, Pressesprecher des ULV
Des Verbands des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den österreichischen Universitäten

Stellv. Vorsitzender der Universitätsgewerkschaft in der GÖD

Pressesprecher der UGÖD

 

 

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