Wir fordern eine Reform des Steuersystems: Entlastung der Arbeitenden, mehr Steuern auf Vermögen

Nach Markus Marterbauers Budgetrede vom 13. Mai 2025 ist klar: Österreich wird das Maastricht-Kriterium eines Defizits unter 3 % frühestens 2029 wieder einhalten, bleibt aber weit entfernt von einem
Haushaltsausgleich. Der Konsolidierungsbedarf ist massiv: Für den Zeitraum 2025–2029 sind Maßnahmen zur Ausgabendämpfung im Umfang von 61,6 Mrd. € erforderlich. Zieht man geplante Mehrausgaben, etwa für die Bereiche Bildung, Gesundheit und Soziales/Arbeit,
ab, verbleibt noch immer ein Netto-konsolidierungsbedarf von 54 Mrd. €.
Im Budgetentwurf für 2025 und 2026 sind Konsolidierungsmaßnahmen im Ausmaß von 6,4 Mrd. bzw. 8,7 Mrd. € vorgesehen. Trotz Kritik an einzelnen Maßnahmen macht ein Blick auf die Zahlen die Notwendigkeit struktureller Einsparungen deutlich: 2024 betrugen die Staatseinnahmen 248,8 Mrd. €, die Staatsausgaben 271,3 Mrd. €, bei einem BIP von 482 Mrd. €. Das ergibt ein Defizit von 22,5 Mrd. € bzw. -4,7 % des BIP. Für die Folgejahre sind Defizite von –4,5 % (2025), –4,2 % (2026), –4 % (2027), –3 % (2028) und –2,8 % (2029) geplant. Zwischen 2019 und 2024 wuchsen die Ausgaben im Schnitt um +7 % jährlich, während die Einnahmen nur um +5 % p.a. zulegten. Diese „Schere“ soll nun verkleinert werden.
Es lohnt ein Blick auf die Ursachen und Gründe der Budgetmisere.
1. Demografischer Wandel und steigende Pensionslasten
Die mit Abstand am dynamischsten wachsenden Ausgabenblöcke im Bundesbudget sind der Demografie geschuldet: Pensionen, Pflege- und steigende Gesundheitsausgaben.
In den letzten Jahren hinkt die Erhöhung der Durchschnittsgehälter der Erhöhung der Durchschnittspensionen hinterher. Letztere legten deutlich stärker zu: +14,8 % kumuliert für 2024/25, im Jänner 2025 stiegen die Pensionen um +4,6 %. Zudem gingen und gehen mit der Babyboomer-Generation geburtenstarke Jahrgänge in Pension.
Diese Entwicklung ist kritisch, weil Österreich im Pensionssystem auf ein Umlagesystem vertraut: Pensionen werden primär aus Beiträgen der Erwerbstätigen finanziert. Wenn die Einkommen der Aktiven langsamer wachsen als die Pensionsleistungen, steigen auch die Zuschüsse aus dem Bundesbudget. Dies hat zur Folge, dass der Anteil der Pensionen am Bundesbudget wächst: von derzeit 24 % (2024) auf 29 % (2029) – das schränkt den Spielraum für andere Ausgaben im Bundesbudget erheblich ein.
Laut Prognosen der Statistik Austria wächst die Altersgruppe 65 + bis 2040 deutlich an. Die über 65-jährigen werden dann fast 27 % der gesamten Bevölkerung stellen, heute sind es knapp ein Fünftel. Auf eine Person über 65 Jahren werden dann nur noch zwei Personen im Erwerbsalter kommen. Heute sind es drei.
Ein nachhaltiges Pensionssystem erfordert das Ausbalancieren der Interessen der Beitragszahler:innen und der Leistungsbezieher:innen.
Fakt ist: Ohne Reformen in diesem Bereich kommt es zu Einschnitten in den anderen Budgetbereichen. Und je mehr über 65-jährige es zukünftig gibt, desto mehr Budgetmittel werden für medizinische Versorgung und Pflege benötigt werden.
2. Lohnpolitik und internationale Wettbewerbsfähigkeit
Österreichs Sozialpartnerschaft garantiert seit jeher den Inflationsausgleich für die Beschäftigten. Im historischen Vergleich ist Österreichs Lohnfindung im Europavergleich einzigartig. Doch die international stark vernetzte Industrie mit einer Exportquote von zwei Dritteln verliert zusehends an Boden.
Die Industrieproduktion schrumpfte zuletzt stark (Q4/2024: –6,5 %), während in den Jahren davor die Lohnstückkosten überdurchschnittlich stiegen – ein zentraler Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit. In einer kleinen offenen Volkswirtschaft kann das Produktionsverlagerung, Investitionszurückhaltung und Jobverluste nach sich ziehen. Bis heute ist die Industrie wichtiger Arbeitgeber und Motor für Investitionen, Forschung und Entwicklung. Jetzt steht sie vor einem Scheideweg. Die Industrie-Rezension hält an. In der Folge wird Österreichs Wirtschaft das dritte Jahr in Folge schrumpfen: nach 2023 mit –1 %, 2024 mit –1,2 %, verzeichnet Österreich 2025 ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von -0,3 %.
Die Arbeitskosten stehen im Zentrum der Diskussion: Entweder wird Lohnzurückhaltung gefordert oder eine Senkung der Lohnnebenkosten – insbesondere der lohnbezogenen Beiträge zur Finanzierung des Sozialstaats (FLAF).
Die anhaltende Industrie-Rezension und der aufgrund der hohen Inflation dynamisch gestiegene Personalaufwand für den Öffentlichen Dienst bremsen nun die Haushaltskonsolidierung.
3. Steuerliche Strukturreformen und fehlende Gegenfinanzierung
Die Abschaffung der kalten Progression wurde fiskalpolitisch begrüßt, verursacht aber jährliche Einnahmeverluste von rund 2 Mrd. € ohne Gegenfinanzierung. Parallel dazu wurden viele Sozial- und Familienleistungen valorisiert und stiegen automatisch mit der Inflation – diese Dynamik ist nur teilweise über Beiträge (z.B. FLAF) gedeckt, viele Ausgaben sind also steuerfinanziert. Das verstärkt den Budgetdruck zusätzlich.
4. Prioritätenverschiebung im Bundesbudget – das Dilemma
In Summe beansprucht die Soziale Sicherung mittlerweile rund 41,5 % des Bundesbudgets, und davon entfallen zwei Drittel auf Leistungen rund um das Alter, während gleichzeitig die Mittel für Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und grüne Infrastruktur fehlen. Ohne strukturelle Änderungen bleibt nur mehr die Wahl zwischen höheren Defiziten und Zinszahlungen (hier kommt es bereit zu einem Anstieg von 2024 auf 2029 um etwa +2 %) oder Einschnitten. Dieses Dilemma zeigt den Reformbedarf auf.
Reformbedarf und Ausblick
Die Verschärfung bei der Korridorpension ist wohl erst der Anfang. Eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters (von 65 auf 67) wird mittelfristig unvermeidlich sein, wenn sonst nichts passiert. Über Einschränkungen der Versorgungsleistungen im Gesundheitsbereich und das Heranziehen des 13./14. Gehalts zur Pflegefinanzierung wird nachgedacht. Dass in diesen Bereichen etwas kommen wird, ist absehbar.
Auch die Industrie positioniert sich: Lohnmoderation oder strukturpolitische Forderungen zur Senkung der Abgabenquote sind bereits Teil der politischen Debatte. Die Gründe sind nachvollziehbar.
Die Gewerkschaften sind gefordert, sich aktiv einzubringen. Es geht um nicht weniger als die Sicherung des Sozialstaats (der Arbeitsplätze), der Pensionen, des Gesundheits- und Bildungssystems.
Vielleicht öffnet sich ein Fenster für eine Reform des Steuersystems:
– Entlastung des Faktors Arbeit - aber nur mit Gegenfinanzierung
– Mehr Beitrag von Vermögen
– Ökologisierung der Abgaben nach dem Prinzip: „tax what you burn, not what you earn.“
Wir - Unabhängige Gewerkschafter:innen – meinen, ohne eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis – Erbschaftsteuer, Reform der Kapitalertragsteuer, Grundsteuer, Umweltsteuern – und Investitionen in Prävention im Gesundheits- und Sozialbereich wird sich der österreichische Wohlfahrtsstaat nicht dauerhaft erhalten lassen, auch wenn vieles davon derzeit realpolitisch noch chancenlos scheint.
Autor: Hannes Grünbichler