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Diskriminierender AMS-Algorithmus

AMS-Schild an einer Hausfassade

AMAS – das digitale ArbeitsMarkt-Assistenz-System und seine „Arbeitsmarktintegrationsprognosen” sind weiterhin abzulehnen


Umstrittener Algorithmus

 

Im AMS läuft das ArbeitsMarkt-Assistenz-System (AMAS) seit Herbst 2018 im Testbetrieb. Seit Dezember 2019 kategorisierte AMAS Arbeitslose und Arbeitsuchende nach ihren Integrationschancen auf dem Arbeitsmarkt und erstellte Vermittlungsprognosen. Im August 2020 wurde der Einsatz des Systems durch einen Bescheid der Österreichischen Datenschutzbehörde untersagt, nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im heurigen Herbst darf das Computerprogramm AMAS beim Arbeitsmarktservice ab Jänner 2021 wieder über Menschen und ihre Einsatzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt Wahrscheinlichkeitsprognosen abgeben.

 

Daten bekommt das System AMAS vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger, von früheren ArbeitgeberInnen, von den Arbeitsuchenden selbst über deren Lebenslauf bei der Registrierung im AMS. Ein Teil der Daten wird aus öffentlichen Registern – z.B. Wohnsitzfeststellung – oder mit fachärztlichen Gutachten gespeist. Führende Mitarbeiter des AMS geben an, dass das stärkste Merkmal im System die bisherige Beschäftigungskarriere der AMS-KundInnen sei und kann diesen stärksten Einfluss auf AMS-Maßnahmen mit empirischen Analysen – also mit eigenen Erfahrungswerten – belegen.

 

AMAS teilt Arbeitssuchende nach ihrer „Integrationschance“ in drei Gruppen ein: jene mit „hohen“ (H), „mittleren“ (M) und „niedrigen“ (N) prognostizierten Chancen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums wieder Arbeit zu finden. Gefördert werden soll vorrangig im „mittleren“ Segment.
 

Personen aus den Gruppen H und M werden in den Beratungszonen des AMS betreut, Personen der Gruppe N sollen die Wahl zwischen Beratungszone und externen Betreuungseinrichtungen haben. Über die erfolgversprechendste Vermittlungsunterstützung entscheiden weiterhin die AMS-BeraterInnen, die sich an einem Kriterienkatalog orientieren und denen AMAS – wie bereits oben beschrieben – Erfahrungswerte bestätigt. Das System AMAS trägt nicht zur Arbeitsvermittlung bei, die Bildungsberatung und die Entscheidung über die Förderung von Bildungsmaßnahmen obliegt auch in Zukunft dem AMS-Personal.

 

Schlechte Chancen vorprogrammiert

 

Daher ist es erstaunlich, dass sowohl in Österreich ausgebildete AkademikerInnen als auch Personen ohne nachweisbare Ausbildungen zuerst ein Deutschkursangebot erhalten, wenn bei beiden durch „Drittstaatenzugehörigkeit“ ein Migrationshintergrund feststellbar ist.

 

Der Umstand, dass „Frauen mit Betreuungspflichten“, nicht aber „Männer mit Betreuungspflichten“ die Kategorisierung beeinflussen, gibt zu denken. Dasselbe gilt für den „Erfolgsfaktor Vermittlung“, der nicht zwischen vermittelter Teilzeit- und Vollzeitstelle unterscheidet.

 

AMS-BeraterInnen sollen sich durch AMAS in ihrer Verwaltungs- und Vermittlungsarbeit unterstützt fühlen, AMS-KundInnen sollen Wahlmöglichkeiten haben oder können sich an Ombudspersonen in den jeweiligen Landesgeschäftsstellen des AMS wenden, wenn ihnen die für sie „errechnete“ Beschäftigungsprognose nicht gefällt.

 

75% arbeitlose Frauen, 50% Förderung

 

„Die überproportionale Förderung von Frauen wird weiterhin in der Zielarchitektur des AMS verankert bleiben, wenn auch nicht unbedingt mit einem Anteil von 50 Prozent“, schreibt Herbert Buchinger in einer Anfragenbeantwortung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft und weist gleichzeitig im April 2020 auf geänderte Vorgaben des zuständigen Ministeriums hin. Das war zu Beginn der Corona-Pandemie, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt überproportional härter traf – bis Juni 2020 waren 75% der arbeitslos gewordenen Personen Frauen!

 

BIZEPS, das Behindertenberatungszentrum für ein selbstbestimmtes Leben, lehnt wie die oberösterreichische Arbeiterkammer den AMS-Algorithmus weiterhin entschieden ab, siehe auch hier. Ein Grund dafür ist, dass das AMAS-Merkmal „gesundheitliche Beeinträchtigung“ nur durch „Ja/Nein“ abgebildet wird, ohne Rücksicht auf die konkrete Beeinträchtigung einer arbeitsuchenden Person, konkret: wenn jemand einen Rollstuhl benutzt, mag das in manchen Berufen ein Problem sein, in vielen anderen aber nicht.

 

UGÖD: Diskriminierenden Algorithmus ablehnen!

 

Wir von der UGÖD (Unabhängige Gewerkschafter*innen im öffentlichen Dienst) lehnen wegen der beschriebenen Unwägbarkeiten AMAS ebenfalls ab. Ohne vorher ein breites Bildungsangebot zu erarbeiten, über das öffentlich und transparent informiert wird, und mit dem die Förderung benachteiligter Gruppen von arbeitsuchenden Menschen begonnen werden kann, wird der AMS-Algorithmus ohnedies sozial schwache Gruppen durch Kategorisierung benachteiligen und bisher verbreitete Vorurteile mit seinen Prognosen verfestigen.

 

Die Einteilung in "gut" oder "schlecht" vermittelbare Arbeitskräfte allein - ohne breit angelegte Förderungsprogramme - diskriminiert Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen mit Kindern. Der AMS-Algorithmus an sich funktioniert menschenverachtend und negiert den Inklusionsgedanken. Für die Chance auf Integration auf dem Arbeitsmarkt mit zunehmend digital basierter Arbeit braucht Österreich zunächst einen Ausbau der digitalen Infrastruktur. In der Zeit der Errichtung digitaler Highways müssen Menschen beim Erlernen von "digital skills" unterstützt werden. Am Anfang muss also eine niederschwellig zugängliche Bildungsoffensive stehen und nicht ein Algorithmus zur Vermessung der Einsatzfähigkeit von Menschen.

 

 

Quellen:

 

https://epicenter.works/content/epicenterworks-veroeffentlicht-details-zum-ams-algorithmus

 

bizeps.or.at/ak-ooe-lehnt-ams-algorithmus-weiter-entschieden-ab

 



Beate Neunteufel-Zechner

Beate Neunteufel-Zechner

 

UGÖD-Vorsitzende

Mitglied im GÖD-Bundesfrauenausschuss

UGÖD-Frauenreferat


beate.neunteufel-zechner@ugoed.at


Wir helfen dir:

 

Referat für Menschen mit Behinderung

 

Wir beraten dich und helfen dir. Und wir achten auf die Einhaltung des Behinderteneinstellungs- und des Gleichbehandlungsgesetzes. Es gibt gute gesetzliche Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt:

  • Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber
  • Fördermaßnahmen
  • Verbot und Schutz vor Diskriminierung
  • Kündigungsschutz
  • Gleichbehandlung
  • Barrierefreiheit

Wir achten auf die konsequente Umsetzung der Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen, wir sensibilisieren, beraten und wirken in verschiedenen Gremien mit. Und wir fördern behindertenspezifische Themen im Arbeitsverhältnis und in der Gesellschaft.