· 

Furiose Fußnoten

Die letzte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Privatvermögen in Österreich datiert mit 2013

Das Innere eines Privatjets

 

Die Universität Linz führte eine Untersuchung durch und kam zu dem Ergebnis, dass das reichste Prozent der Vermögenden – etwa 35 000 Haushalte – knapp 237 Milliarden Euro besaßen, und zwar von etwa 1000 Milliarden, die es insgesamt in Österreich zu besitzen gab.

 

 

Diese Zahlen ergaben sich im Zuge einer freiwilligen Erhebung, anlässlich derer sich von 4438 befragten Haushalten 2380 auskunftsbereit zeigten.

 

 

 

Doch damit gaben sich die Forscher nicht zufrieden. Sie unterzogen ihr Ergebnis auch einer Interpretationsweise, die von der EU für 14 weitere Mitgliedsstaaten angewandt wurde. Auf Basis dieses Verfahrens ergab sich für das reichste Prozent ein Vermögen von 469 Mrd, allerdings von 1248 Milliarden.

 

 

 

Für diese Zahlen garantierten sechs Universitätsprofessor:innen mit ihrem Ruf, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sie nicht völlig falsch sind.

 

 

 

Seit damals wurde offenbar über die Privatvermögen in Österreich nicht mehr geforscht. Wozu auch? Besteuert werden sie ohnehin nicht, also was soll es?

 

Ist doch den Aufwand nicht wert, und außerdem, wie der Name sagt, Privatsache. Es geht niemand etwas an, wie reich ein:e Andere:r ist.

 

 

 

Dann würde auch niemand etwas angehen, was ein:e Ander:e an Einkommen hat. Geht es aber! Einkommen muss versteuert werden. Die Steuersätze sind allgemein bekannt. Jedes legal versteuerte Einkommen, ist dem Staat gegenüber offengelegt. Das klassische Gegenteil einer Privatsache.

 

Es ist undenkbar, dass der Staat, die Einkommenssteuer nicht penibel kontrolliert. Nicht umsonst ist sie die Steuer mit dem höchsten Aufkommen.

 

 

 

Ganz anders die Vermögenssteuer, die es in Österreich gar nicht gibt, und die deshalb nicht aufkommt. Also muss auch niemand wissen, wie hoch das Vermögen ist, das besteuert werden könnte, also muss auch niemand forschen, was eh niemand mehr tut, und aus!

 

 

 

Ja, "aus" vielleicht, aber es sollte klar sein, dass nicht mehr geforscht werden muss. Selbst wenn der Uni Linz vor 12 Jahren alle möglichen statistischen Fehlerquellen, auf die sie selbst hinweist, unterlaufen sind, kann es keinen Zweifel geben, dass eine sehr kleine Personengruppe ein riesiges Vermögen besitzt, von dem sie einen winzigen Teil an den Staat abgeben könnte, was das Ende budgetärer Miseren zur Folge hätte. Aber daran ist nicht gedacht. Anstattdessen werden das Pensionssystem und der Sozialstaat kaputt geredet.

 

 

 

Gedanken sind bekanntlich frei, warum sie nicht denken?

 

 

 

Gehen wir beim Denken davon aus, dass die 237 Milliarden der Uni Linz aus 2013 aufgrund undenkbarer Umstände[1] NICHT mehr geworden sind.

 

Dann hätten sich auch die 94 Milliarden im Besitz des zweitreichsten Prozents und auch die 65 Milliarden von Prozent Nr. 3 NICHT vermehrt.

 

Zusammen also 396 Milliarden, denen der Gesetzgeber den Status der Privatsache entziehen könnte. Bei einem Steuersatz von 1% würden mindestens(!) 4 Milliarden an Steuer aufkommen. Vermögen von weniger als 1,5 Millionen wären von der Steuer nicht betroffen.

 

 

 

Sagen wir des Weiteren, dass die Vermögenden alles außer Immobilien, Grundbesitz und anderen identifizierbaren Werten verstecken wollten. Das würde den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen, welche ab einem Betrag von 50 000 Euro mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Ein:e durchschnittliche Angehörige:r des reichsten Prozents stünde mit einem Vermögen von 6,7 Millionen vor der Entscheidung, 67 000 Euro an Steuer zu zahlen, oder ein Gerichtsverfahren zu riskieren.

 

 

 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Großteil der anfallenden Steuer freiwillig entrichtet würde. Und zwar in erster Linie deshalb, weil es den Steuerpflichtigen so was von egal sein kann.

 

 

 

Überlegen wir erneut gemeinsam und unerschrocken. Jemand der (durchschnittlich) 6,7 Millionen besitzt könnte 100 Jahre lang 67 000 Euro Vermögenssteuer zahlen, was sie oder er aber gar nicht müsste, weil einerseits bei kleiner werdendem Vermögen [die internationalen Statistiken zeigen allerdings rasant wachsende große Vermögen] auch die 1%-Steuer geringer würde und weil andererseits selbst bei jährlicher Zahlung von 67.000 Euro nach 78 Jahren nur 5,7 Millionen im gierigen Schlund des Fiskus verschwunden wären und der oder dem Bedauernswerten immer noch 1,5 Millionen blieben, welchselbe nicht besteuert würden. Selbst wenn Betroffene das Vermögen in frühester Jugend, z.B. mit 15, angehäuft haben, scheint ein einigermaßen komfortabler Lebensabend ab dem 93. Wiegenfest gesichert.

 

 

 

Die Sorge, dass die Reichen verarmen könnten, scheint angesichts dessen unbegründet.[2]

 

 

 

Abgesehen von der obig dargestellten, tragischen Konsequenz für die oder den einzelne:n Wohlhabende:n, hätte eine Besteuerung der größten Vermögen wie oben dargestellt auch was Gutes: 4 Milliarden Euro jährlich für den Staatshaushalt alleine von den 3% Reichsten.[3] Mindestens 78 Jahre lang.

 

 

 

Es gibt derzeit keine Mehrheit für Vermögensteuern. Das bedeutet nicht, dass man sie dem Vergessen anheimfallen lassen muss.[4]

 

 

 

Andreas Chvatal,
Aktivist der “apfl” (Aktive Pflichtschullehrer:innen) i. R.

 



[1] Alleine die Wertsteigerung von Immobilien und Grundbesitz in zwölf Jahren muss einen beträchtlichen Anstieg dieser Vermögen bewirkt haben.

[2] Alleine die Wertsteigerung von Immobilien und Grundbesitz in 78 Jahren muss einen beträchtlichen Anstieg eines derartigen Privatvermögens bewirken.

[3] Mein Texas Rechner, Bj. 1980 hat nicht genug Stellen, um das auszurechnen. Alleine die Wertsteigerung von Immobilien und Grundbesitz in 78 Jahren garantiert einen beträchtlichen Anstieg dieser Privatvermögen in diesem Zeitraum, wodurch noch viel mehr Vermögenssteuer aufkäme.

[4] Tja?