· 

Gegendarstellung und offener Brief an den Dachverbandsvorsitzenden

des Dachverbandes der Universitäten

Nahaufnahme einer Sanduhr

Sehr geehrter Herr Vizerektor und Vorsitzender des Dachverbands der Universitäten, Michael Lang,

 

Ihre Ausführungen zur sondergesetzlichen Ermächtigung für ausufernde Befristungen von Arbeitsverträgen an Universitäten können und dürfen wir nicht unwidersprochen stehen lassen. Nach herrschender Auffassung sollen die Merkmale der Universitäten aus exzellenter Lehre und Forschung bestehen und dementsprechend das Personal dem Anspruch hoher wissenschaftlicher oder künstlerischer und beruflicher Qualifikation für das Fach gerecht werden. Der Vorwand des vermeintlich höheren Ziels einer Generationengerechtigkeit öffnet Tür und Tor für Willkür in der Personalstruktur und verlässt den Pfad der Erfüllung von Qualifikationszielen. Das Unwesen der Befristungen dient einzig und allein den Allmachtsfantasien bequemer Universitätsleitungen, die sich der arbeitsgerichtlichen Kontrolle dadurch entziehen, dass Beschäftigungsverhältnisse automatisch auslaufen. Wo war bitte die „Generationengerechtigkeit“, als die Umgehungspraxis durch Vertragsunterbrechungen zu prekärer Beschäftigung von 20 und mehr Jahren geführt hat? Die Praxis der Rektorate hat bisher bewiesen, dass Gerechtigkeit nie eine Kategorie war, sondern man befristete, was das Gesetz und die Judikatur hergaben.

Ihr sarkastisches Rechenbeispiel legt die Denkweise vieler Universitätsleitungen offen: Projektmitarbeiter:innen sollen also eine zwingende Spezies sui generis mit obligatorischer Befristung sein, die man aus der Gesamtschau herausrechnen muss. Aber Sie werden lachen, es gibt vereinzelt Unis, die solche Leute unbefristet anstellen und imstande sind, Arbeitsverträge auf vorgesehene Art und Weise zu lösen. „Kultur“ braucht es dazu höchstens insofern, als man dem „normalen“ Arbeitsrecht folgen muss, das freilich gerichtlicher Überprüfung unterliegt, so wie die meisten Tatbestände menschlichen Handelns. Sie jedoch dezimieren das Personal bis zu jenen auf Postdoc-Level und verkünden stolz, dass es in dieser Gruppe nur 40% befristete Personen gäbe. Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, höchstqualifizierte Postdocs befristen zu müssen? Das ist die Frage, der man sich – wenn es nicht anders geht, auch wissenschaftlich – nähern müsste. Die Universitäten sind doch kein Durchhaus für Praktikant:innenstellen!

Aus dem ministeriellen Umfeld war unlängst zu hören, dass die gesetzliche Grundlage für die Befristungen reformiert werden musste, weil die alte Regelung extrem kasuistisch gewesen wäre. Faktum ist, dass der § 109 UG in seiner Stammfassung aus zwei Absätzen bestand, in der drei überschaubare Gruppen von Anwendungsfällen normiert waren. In der novellierten Fassung sind es mittlerweile neun Absätze, garniert mit schrecklichen Übergangsbestimmungen, vor denen selbst rechtskundige Profis kapitulieren. Der renommierte Arbeitsrechtler Günther Löschnigg nennt nach der neuen Rechtslage 18 Jahre Befristung als typische Konstellation für die Zukunft, wobei bemerkenswerter Weise kaum jemand sonst miteinkalkuliert, dass nach langer Qualifizierungs- und Bewährungskette ab Erreichen einer Professur nochmals sechs Jahre Befristung zusätzlich erlaubt sind. Generationengerechtigkeit? Echt jetzt?

Wenn Qualifizierungsbereitschaft und das Erreichen höchster Exzellenz de facto mit Rausschmiss und chronischem Hochmut sanktioniert werden, dann dürfen wir uns über den starken Gegenwind nicht wundern, der den Universitäten und der Wissenschaft im Allgemeinen aus Politik und Gesellschaft entgegenbläst.

 

Stefan Schön
Pressesprecher des ULV (Verband des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der österreichischen Universitäten)
Stellvertretender Vorsitzender der Universitätsgewerkschaft der GÖD (Gewerkschaft öffentlicher Dienst)
UGÖD Pressesprecher

 

Siehe dazu: Presseaussendung des ULV