Die UGÖD plädiert für eine sachliche Diskussion dieses Themas. Wir fordern: Höhere Niedrigpensionen, flexibles Pensionsalter, mehr Steuern auf Besitzeinkommen.

Das erste Pensionsversicherungsgesetz für Angestellte wurde zur Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie 1906 beschlossen und trat 1909 in Kraft. Auch wenn man die Leistungen daraus mit heutigen Maßstäben nicht vergleichen kann, ist es dennoch bemerkenswert, dass sie auch in einer Zeit erbracht werden konnten, in der 1914 bis 1918 rund ein Drittel des gesamten Volkseinkommens in den Kriegsjahren für die Kriegsführung im wahrsten Sinne des Wortes „verpulvert" worden war.1
Auch die bereits vier Jahre später einsetzende Weltwirtschaftskrise – Österreich war inzwischen eine Republik! – führte keineswegs zum frühzeitigen Ende der Pensionsversicherung, sondern wurde mit der Aufgabe des auf Rücklagen fußenden Anwartschaftsdeckungssystems zugunsten des heute beherrschenden Umlagesystems, bei dem der erforderliche Aufwand nicht mehr aus angelegten Rücklagen getragen wird, sondern aus den jeweiligen Beitragseinnahmen und Staatszuschüssen, beantwortet.
Fakt ist, dass trotz der unvergleichbaren Dimension der Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre, der bitteren Armut, der Arbeitslosigkeit und des Ausmaßes der staatlichen Haushaltsverschuldung ein Vergleich zu heute, 100 Jahre später, mit bitteren Pillen wie Defizitverfahren und demografischem Wandel gelinde gesagt unverhältnismäßig ist. Die sozialpolitischen Leistungen dieser Zeit sind enorm und sie haben die bald darauf folgende Katastrophe des zweiten Weltkriegs nicht nur überdauert, sondern eine Epoche eingeleitet, die vom früheren Generaldirektor des Hauptverbandes, Alois Dragaschnig, als „stürmische Entwicklung" der Sozialversicherung bezeichnet wurde.
Nach dem zweiten Ölpreisschock 1982/83 kam die Wende und wurde das Zeitalter der permanenten, einschränkenden Pensionsreformen eingeläutet. Als wesentlicher Markstein sei hier die gänzliche Trennung der Pensionsanpassung von der Lohnentwicklung durch das Pensionsharmonisierungsgesetz 2004 erwähnt. Pensionsanpassungen erfolgten künftig inflationsgebunden. Als weiterer Meilenstein sei die Schaffung des Pensionskontos erwähnt, ohne hier näher auf die konkreten Auswirkungen einzugehen.2
Hervorgehoben seien zwei wichtige Schlussfolgerungen aus dem Artikel von Rudolf Müller:
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Stellt man die zu erwartenden Mehraufwendungen für die gesetzliche Pensionsversicherung den Einsparungen bei den Ausgaben für die Beamtenpensionen gegenüber, so bleiben die Gesamtausgaben des Bundes bis 2060 gemessen am BIP (voraussichtlich) nahezu konstant. Wir wissen, dass dieser Effekt über Jahrzehnte durch Rückbau der Beamt:innenschaft und Ausgliederungen vorbereitet wurde, mittlerweile greift und daher auch nicht schamhaft verschwiegen werden braucht.
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Der Ansatz muss sein, das faktische Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Dazu braucht es Maßnahmen, die von allen Gewerkschaften seit langem gefordert und ebenso lange ignoriert werden: Arbeitsplätze so attraktiv und gesund zu gestalten, dass die Arbeitsfähigkeit, sprich die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmer:innen, so lange wie möglich erhalten bleibt. Budgetwirksame Sozialleistungen, wie Rehabilitationsgeld oder Arbeitslosengeld würden sich dadurch reduzieren.
Die UGÖD plädiert für eine sachliche Diskussion dieses Themas. Wir beginnen mit folgenden Lösungsansätzen:
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Österreichs Budgetmisere – Ursachen und Handlungsbedarf:
https://oeli-ug.at/oesterreichs-budgetmisere-ursachen/
https://www.ugoed.at/budget-und-ursachen/ -
Eine Anhebung des Regelpensionsalters kann zur aktuellen Budgetsanierung nicht zeitgerecht beitragen.
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Es fehlt eine glaubhafte versicherungsmathematische Betrachtung. Nicht nur die Demoskopie ist ein Thema, sondern auch die Lebenserwartung im Rahmen des Berufes und die Belastungen in den unterschiedlichen Sparten.
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Flankierend müssen das Ausmaß der Normalarbeitszeit und der Umfang und die zeitliche Lage der Tagesarbeitszeit in den einzelnen Berufsgruppen zeitgemäß neu adaptiert werden.
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Es sollte außer Streit stehen, dass Niedrigpensionen nicht zusätzlich mit weiteren Belastungen, wie z. B. Anhebung von Sozialversicherungsbeiträgen, konfrontiert werden, sondern im Gegenteil erhöht werden.
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Richtungswechsel in der selbstschädigenden Migrationspolitik, weil Österreich dank der Zuwanderung der (noch) relativ großen Gruppe der 20 bis 45-Jährigen das Pensionssystem besser finanzieren kann, als ohne sie.
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Rasche Flexibilisierung im Arbeitsrecht, damit arbeitsbereite Personen über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeiten dürfen (!) und jenen, die nicht können, das soziale Netzwerk durch angemessenes Pensionsantrittsalter oder Frühpension nicht vorenthalten wird.
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Unverhältnismäßigkeiten vermeiden: Eben wurde der Sozialversicherungsbeitrag für Pensionist:innen um fast 1% erhöht, während dieser Tage darüber diskutiert wird, dass Industriebetriebe (doch wieder) eine Sonderförderung wegen der Mehrkosten für den Strombedarf erhalten sollen.
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Schlussendlich sind einnahmenseitige Maßnahmen unter Bedachtnahme auf soziale Ausgewogenheit in Betracht zu ziehen, als da wären:
Vermögenssteuer,
Erbschaftssteuer,
Schenkungssteuer,
Grundsteuer
einführen bzw. anpassen.
All das wäre ein guter Anfang.
Stefan Schön
Pressesprecher der UGÖD
1 Alfred W. Höck , Armut und Alltagssorgen der Zwischenkriegszeit https://brauch.at/folge03/ch07s03.html
2 Mehr dazu: Rudolf Müller, Die Entwicklung der Pensionsversicherung der unselbständig Erwerbstätigen, https://www.drda.at/a/361_DRDA_3/Die-Entwicklung-der-Pensionsversicherung-der-unselbstaendig-Erwerbstaetigen