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Reinhart Sellner: Abschied vom GÖD-Vorstand

Parteiunabhängige „Abschiedsworte“ von Reinhart Sellner nach dreieinhalb Jahren im GÖD-Vorstand

 

 

Lieber GÖD-Vorsitzender, liebe KollegInnen des GÖD-Vorstandes,

 

seit Juni 2015 vertrete ich die Unabhängigen GewerkschafterInnen in der GÖD und in den ausgegliederten Betrieben im GÖD-Vorstand, erst kooptiert, ab 2016 als gewählter Bildungsförderungsreferent. Ende 2018 lege ich meine Funktionen aus eigenem Antrieb zurück, eine UGÖD-Bundeskonferenz hat bereits Kollegen Gary Fuchsbauer als meinen Nachfolger nominiert.

 

 

Positive Erfahrungen


Wir Unabhängigen sind den Rechtsweg bis zum OGH gegangen und haben so die statutengemäße Vorstandsvertretung und die Fraktionsanerkennung in der GÖD erreicht. Damit haben wir Unabhängigen GewerkschafterInnen einen Beitrag zur Stärkung der Gewerkschaftsdemokratie in der GÖD geleistet.

 

Die kollegiale, respektvolle Zusammenarbeit mit VorstandskollegInnen von FCG und FSG hat für die UGÖD verbesserte Information und monatlich die Gelegenheit zum Einbringen unserer Positionen und Forderungen gebracht, auch wenn wir in den Vorstandssitzungen keine inhaltlichen Diskussionen auslösen konnten.

 

Danke sage ich den Vorsitzenden der GÖD für die Fraktionsanerkennung durch Kooptierung im Juni 2015 und für die mit der Übernahme des Referates verbundene Verbesserung der Arbeitsbedingungen für den Bildungsreferenten und für die fraktionelle Arbeit der Unabhängigen.

 

Aber es gab im Rahmen der Vorstandstätigkeit auch negative Erfahrungen, die gewerkschafts- und demokratiepolitischen Handlungsbedarf der GÖD aufzeigen.

 

Alle wesentlichen Beratungen und Entscheidungen finden nicht im Vorstand statt, der laut Statut Arbeitsaufträge an das geschäftsführende Präsidium für dessen laufende Arbeit beschließen sollte. Das heißt aber auch in jedem Fall und wie vor 2015, dass unter Ausschluss der UG-Minderheit GÖD-Entscheidungen getroffen werden.

 

Anliegen der UG-Minderheit, die von FCG- und FSG-Vorgaben abweichen, konnten nur in persönlichen Gesprächen oder schriftlich beim Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und in den Vorstandssitzungen eingebracht werden. In der Regel folgenlos, es wurde und wird nicht diskutiert. Es gab ad hoc-Antworten des Vorsitzenden, aber keine weiteren Wortmeldungen, keine inhaltliche Auseinandersetzung und keine Beschlussfassung. Die einzige Ausnahme: Der Vorstand genehmigte einstimmig eine deutliche Erhöhung der gewerkschaftlichen Bildungsförderung.

 

Im Sinne demokratischer Transparenz und überfraktioneller Zusammenarbeit schlage ich dem Vorstand die Kooptierung eines Vertreters/einer Vertreterin der UG-Minderheitsfraktion ins Präsidium vor. Kooptierungen ins Präsidium sind nicht ungewöhnlich, denn ein Drittel der Präsidiumsmitglieder wurde nicht vom GÖD-Bundeskongress gewählt, sondern per Vorstandsbeschluss unmittelbar nach Abschluss des Bundeskongresses 2016 ins Präsidium kooptiert. Die gewerkschafts- und demokratiepolitisch begründete UG-Kooptierung würde nichts an der von den Personalvertretungswahlergebnissen abgeleiteten absoluten Mehrheit der GÖD-FCG ändern. Auch eine Kooptierung ohne Stimmrecht wäre bereits ein gewerkschaftspolitischer Fortschritt.

 

Beamtengewerkschaft“, „Standesvertretung“ der „Staatsdiener“ GÖD oder Gewerkschaft der ArbeitnehmerInnen?

 

Wir parteiunabhängigen GewerkschafterInnen verstehen uns nicht als Standes- oder Ständevertretung, sondern als VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst und den ausgegliederten Betrieben und ihrer Interessen (Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen, Arbeitseinkommen, ArbeitnehmerInnen-Mitbestimmung). Wir sind keiner undefinierten „Staatsraison“ oder „Parteidisziplin“ verpflichtet und verstehen uns nicht als untertänige Staatsdiener. Wir glauben auch nicht, dass der in der GÖD zur Tradition gewordene Verzicht auf begründete Forderungen an den Dienstgeber „Bundesregierung“ auf Information und Mobilisierung der KollegInnen die beste Voraussetzung für Zugeständnisse der Regierung und ihres Finanzministers bei Gehalts-, Dienstrechts- und Kollektivvertrags-Verhandlungen sind. Das „Verhindern von noch Schlimmerem“ ist nicht genug.

 

Bei Verhandlungen mit dem Dienstgeber sind für GewerkschafterInnen die ArbeitnehmerInnen-Interessen der KollegInnen und davon abgeleitete Notwendigkeiten die handlungsrelevante Grundlage, nicht die von Regierungsparteien vorgeschobenen, ihren restriktiven Budgetplänen dienenden „Sachzwänge“. Wir stehen für Information und Mitbestimmung der Mitglieder bei der Erstellung von Forderungen, für entsprechende Beschlüsse der Bundeskonferenz und des Vorstandes vor und während der Verhandlungen, für Urabstimmungen und Beschlüsse der Bundeskonferenz zum Verhandlungsergebnis.

Ausreichende Finanzierung der öffentlichen Dienste und der ausgegliederten Betriebe ist Aufgabe einer demokratischen, sozial umverteilenden Budgetpolitik, daher ist für uns die Finanzierungs- und Steuerfrage ein wesentliches Politikfeld der GÖD. Staatstragende Zurückhaltung und Verzicht auf budget-regierungs-kritische Aktionen nützt dem Dienstgeber und steuerlich privilegierten Gruppen mehr als den Interessen der großen Mehrheit der ArbeitnehmerInnen, nicht nur im öffentlichen Dienst und in den ausgegliederten Betrieben. Wir haben im Vorstand und in Bundeskonferenzen stets darauf hingewiesen: Verstärkung der Zusammenarbeit mit allen Gewerkschaften im ÖGB ist für öffentlich Bedienstete und ihre Gewerkschaft GÖD ebenso notwendig wie das Zurückstellen partei- und standespolitischer Überlegungen, nicht nur in Steuerfragen.

 

 

Glück auf!

Reinhart Sellner