Eine Hommage auf Reinhart Sellner
Reinhart Sellner, Mitbegründer der UGÖD, leidenschaftlicher Lehrer und Gewerkschafter, Künstler und Mahner bleibt seinen Forderungen und Prinzipien treu und legt Fehler offen, vor allem jene, die sich jahrzehntelang wiederholen.
Im Zuge der aktuellen Bundesbudgetsanierung hat sich der öffentliche Dienst nach Auflösung einer gesetzlich bereits verankerten sozialpartnerschaftlichen
Vereinbarung zu einem 3-Jahres-Gehaltsabschluss verpflichten lassen, dessen Konsequenz für 2026 der GÖD Vorsitzende Eckehard Quin als „eine umgekehrte Einmalzahlung, die nicht staffelwirksam
ist“, bezeichnet. Was bei diesem Gehaltsabschluss von Seiten der GÖD erstaunlicherweise vergessen wurde, war ein Beschluss der eigenen Bundeskonferenz aus dem Vorjahr: „Die GÖD fordert umgehend
Maßnahmen, um den Öffentlichen Dienst für qualifizierte Jobsuchende attraktiver zu machen und Mitarbeiter:innen im Öffentlichen Dienst zu halten. Nur so kann der Öffentliche Dienst den Wettbewerb
mit der Privatwirtschaft um die ‚besten Köpfe‘ gewinnen und wettbewerbsfähig sein“.
War die solcherart deutlich artikulierte Forderung nach Attraktivierung der Arbeitsplätze kein Thema für einen dreijährigen Gehaltsabschluss?
Ist auf beiden Seiten des Verhandlungstisches niemand auf die Idee gekommen, die errechnete Arbeitszeitleistung etwa der Lehrer:innen von über 48 Wochenstunden wenigstens zum Anlass zu nehmen,
eine reale Arbeitszeitverkürzung auf das korrekte Ausmaß zu verhandeln?
Denken wir doch daran, dass vor kurzem die Wirtschaftsminister der ÖVP laut darüber nachgedacht haben, Teilzeitbeschäftigten die Sozialleistungen nicht im vollen Umfang zugestehen zu
wollen!
Reinhart Sellner:
„ÖVP-Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer hat sie losgetreten, ORF und bürgerliche Qualitätsmedien haben sie wie auf Kommando weitergeführt: Die Debatte samt Lifestylevorwurf vor allem gegen Frauen, Alleinerzieher:innen, die ohne Kindergarten bzw. Ganztagsschulplatz, mit familiärer Pflegeverpflichtung doppelt und dreifach belastet sind oder denen der Arbeitgeber das Aufstocken auf Vollarbeitszeit verweigert. Die Antwort von SPÖ, AK und Gewerkschaften, auch die der Grünen beschränkt sich auf die Wiederholung der Forderung nach mehr Kinderbetreuungsplätzen.“
Reinhart Sellner kritisiert insbesondere das mangelnde Engagement und gegenseitige Blockaden der gewerkschaftlichen Bundesvertretungen und weiterer Vertretungsvereinigungen, wenn er dagegen die Vorzüge der Unabhängigen GewerkschafterInnen, jene in der GÖD und die Österreichische Lehrer:innen-Initiative hervorhebt:
„Ich denke, unser Alleinstellungsmerkmal als Lehrer:innenorganisation ist, dass bei uns Lehrer:innen von APS[1], Poly[2], AHS[3], BMHS[4] und BS[5] schultypenübergreifend und parteiunabhängig zusammenarbeiten, z. B. einmal im Jahr ein gemeinsames Seminar organisieren, anders als die GÖD mit ihren fünf Lehrer:innengewerkschaften, die neben- und auch gegeneinander arbeiten, anders als fcg-öaab[6]-Professorenunion[7] und clv[8] oder slö[9] und BSA[10].“
Um alsdann leidenschaftlich auf die inhaltliche Ebene einzuschwenken:
„Gemeinsame Grundlage ist das gemeinsame Eintreten für eine inklusive fördernde gemeinsame Pflichtschule für alle, eine Schule, die es noch nicht gibt, weil Standes-, Landes-Parteipolitiker:innen der ÖVP das verhindern, Eltern sich von der Notenselektion und dem Auseinanderdividieren der 9- und 10-jährigen Schüler:innen Karrierevorteile für ihre Kinder erwarten, aber auch Lehrer:innen, vor allem die der AHS. Mein Anliegen: Kinder und Jugendliche ernst nehmen, individuelle Förderung und soziale Integration versuchen. In 10 Jahren im Schulversuch ‚Integrierte Gesamtschule‘ lernte ich mit und von Kindern der 3. Leistungsgruppen, dass soziale Selektion und das Abstempeln von Kindern als ‚dumm‘, ‚nicht begabt‘ und ‚nicht wichtig‘ ein Systemfehler der österreichischen Noten- und Ausleseschule ist.
Als Vater und als Großvater habe ich erlebt, was Kindern, Eltern und Lehrer:innen an der ‚Schnittstelle‘ Volksschule/Mittelschule/AHS-Unterstufe und in der 8./9. Schulstufe zugemutet wird.
Ich halte es mit dem Pädagogen Jan Amos Comenius: ‚Allgemeinbildung ist die Bildung aller in allem‘. Ich bin Jahrgang 1947 und immer noch aktiv unterwegs für eine demokratische, sozial integrative, inclusive und ganztägige gemeinsame Pflichtschule. Eine gemeinsame Schule mit ausreichend Personal, Lern- und Freizeiträumen ist notwendig und möglich. Auch wenn ÖVP-Politiker:innen das noch nicht einsehen wollen."
Zum Thema Sonderschulen:
„In Linz soll eine neue Sonderschule für 150 Kinder bereits 2029/30 in Betrieb gehen. Begründet wird das Vorhaben mit einem angeblichen ‚Mehrbedarf‘ und ‚Wahlfreiheit‘. Doch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist unmissverständlich: Kinder mit Behinderungen haben ein Recht auf inklusive Bildung im Regelschulsystem – ohne Ausnahme!
Hanna Kamrat, Vizepräsidentin der Lebenshilfe Österreich und Selbstvertreterin aus Bad Ischl, war selbst in einer Sonderschule: ‚Sonderschulen sind für mich ein absolutes No-Go. Wäre ich in einer inklusiven Schule gewesen, wäre ich heute viel weiter. Sehr schade, dass Österreich hier Rückschritte macht!‘
Roland Öhlinger, Mitglied im Selbstvertretungsbeirat der Lebenshilfe Österreich, aus Wels, sagt: ‚Ich wurde als Kind in eine Sonderschule abgeschoben. Ich will, dass Kinder von heute das nicht mehr erleben müssen‘.“
Reinhart Sellner ist ein überzeugter gewerkschaftlicher Personalvertreter mit reichem Erfahrungsschatz. Er meldet sich jeweils zum genau richtigen Zeitpunkt zu Wort. Wir sollten ihm folgen:
„Nach der Neuverhandlung des Abschlusses 2025 sollte nicht nur gegen den Prozentsatz (Reallohnverluste!) protestiert werden, sondern ebenso gegen Einsparungen durch belastende Arbeitsbedingungen/Räume/Ausstattung/fehlendes Personal, etc. Auf der Einnahmenseite muss das Fehlen einer sozial gerechten Steuerstruktur (keine Erbschaftssteuer, kein wirksames Anheben vermögensbezogener Steuern) thematisiert werden. Ein weiteres Anliegen muss die fehlende Gewerkschaftsdemokratie in der GÖD sein. Zu fordern ist eine verpflichtende Mitgliederbefragung nach jedem Verhandlungsergebnis. Gewerkschaftliche Basis-Aktionen zur Information und Mobilisierung der Kolleg:innen verändern die GÖD und stärken oppositionelle ÖGB-Gewerkschaftsarbeit der UGÖD in der GÖD, stärken aber auch FCG- und FSG-Vertreter:innen, die sich vor allem als gewerkschaftliche Interessensvertretr:innen ihrer Kolleg:innen verstehen und nicht als brave Regierungsparteimitglieder.“
Und was am Schluss seiner Beiträge nie fehlen darf:
Glück auf und let´s walk on!
[1] Allgemeinbildende Pflichtschulen
[2] Polytechnische Schulen
[3] Allgemeinbildende höhere Schulen
[4] Berufsbildende mittlere und höhere Schulen
[5] Berufsschulen
[6] Fraktion Christliche Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen
[7] Österreichische Professoren Union
[8] Christlicher Lehrerverein
[9] Sozialdemokratischer Lehrer/innenverein Österreichs
[10] Bund sozialdemokratischer Akademiker:innen


