Die Auslandsaufgaben des Österreichischen Bundesheeres
von
Oberst Engelbert Ponemayr, MSD
Seit 1983 beim ÖBH, derzeit verwendet in der Streitkräfteplanung im BMLV
Verteidigung, Schutz der Demokratie und Katastrophenhilfe
Die Aufgaben des Bundesheeres sind im Artikel 79 der Bundesverfassung festgelegt. Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung und auf Ersuchen der zuständigen zivilen Behörde die Hilfeleistung zum Schutz der demokratischen Einrichtungen, zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Inneren im Allgemeinen sowie die Hilfe bei Katastrophen besonderen Ausmaßes.
Seit mehr als 50 Jahren im Auslandseinsatz
Im Jahr 1965 wurde – im Wesentlichen auf Ersuchen der Vereinten Nationen – im Wehrgesetz auch die Teilnahme an Auslandseinsätzen auf Ersuchen internationaler Organisationen aufgenommen. Um an EU-Einsätzen im Rahmen der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ teilnehmen zu können wurde später noch der Artikel 23f in die Bundesverfassung aufgenommen. Die sogenannten „Petersberg-Aufgaben“ umfassen humanitäre Hilfe, Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedenschaffender Maßnahmen.
Zu Einsätzen und Übungen im Ausland kann ausschließlich Personal entsendet werden, welches sich freiwillig dazu meldet. Die freiwillige Meldung kann bis unmittelbar vor dem
Einsatz zurückgezogen werden. Die Einsätze dauern in der Regel 6 Monate und können häufig vor Ort auf 12 Monate verlängert werden. Bei besonders schwierigen Verhältnissen kann die Einsatzdauer
auch kürzer sein. Übungen im Ausland dauern abhängig vom Übungszweck meist ein bis 4 Wochen, wobei die Entsendung auf Basis des gleichen Gesetzes erfolgt wie zu Einsätzen.
Friedenserhaltende Aufgaben – die „großen“ Missionen
Bei diesen Einsätzen werden Truppen mit ihrer planmäßigen Bewaffnung und Ausrüstung eingesetzt. Bereits seit 1964 nahm das ÖBH mit einem Sanitätskontingent an der UN-Mission UNFICYP (Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern) teil, das 1972 zu einem UN-Bataillon mit knapp 300 Mann aufgestockt wurde. Dieser Einsatz endete 2001.
Andere bekannte Einsätze in diesem Rahmen waren UNEF II (1973, Ägypten, 1 UN-Bataillon), UNDOF (1974 – 2013, Golanhöhen, 1 UN-Bataillon mit bis zu 720 Soldaten), ISAF (2002 und 2005, Afghanistan,
bis zu 100 Soldaten), EUFOR Tchad/RCA (2008 – 2009, Tschad, bis zu 160 Soldaten).
Heute ist das Bundesheer unter dieser Kategorie engagiert in den Missionen EUFOR-ALTHEA in Bosnien-Herzegowina zur Stabilisierung der militärischen Aspekte des Friedensabkommens von Paris mit 221 Soldaten, KFOR im Kosovo zur Aufrechterhaltung der Sicherheit im Kosovo auf Basis der UN-Resolution 1244 (1999) mit 440 Soldaten, UNIFIL im Libanon zur Gewährleistung der Sicherheit der Bbevölkerung auf Basis mehrerer UN-Resolutionen.
Beobachtereinsätze – „Looking and Cooking“
Die scherzhafte Bezeichnung geht darauf zurück, dass in diesen meist durch die Vereinten Nationen oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa geführten Einsätzen die
BeobachterInnen häufig „Selbstversorger“ sind, sich also selbst verpflegen müssen. Die Beobachter verfügen in der Regel nur über Schutzbekleidung und allenfalls eine Pistole zur
Selbstverteidigung. Diese Einsätze sind häufig durch extrem lange Dauer gekennzeichnet.
Heute ist das Bundesheer in Beobachtermissionen beispielsweise engagiert in Mali, Kroatien, Zypern, Georgien, im Nahen Osten, in der Ostukraine und in der Westsahara.
Rettungseinsätze und humanitäre Einsätze
Das Bundesheer verfügt mit der Katastrophenhilfseinheit für „Urban Search and Rescue“ AFDRU (Austrian Forces Desaster Relief Unit) eine spezialisierte Hilfseinheit, die aus aktiven Soldaten und Milizpersonal besteht. Diese Einheit ist ebenso wie die Fähigkeit zur Wasseraufbereitung nahezu einmalig in Streitkräften. Darüber hinaus kommen im Rahmen humanitärer Einsätze auch Sanitätskräfte zum Einsatz. Die Einsätze erfolgen in der Regel unbewaffnet oder nur mit leichter Bewaffnung zum Selbstschutz.
Weltweite Katastrophenhilfe
Bisher erfolgten Einsätze beispielsweise im Kongo (1960 – 1963, Sanitätskontingent), in Friaul (1976, Erdbeben), Armenien (1988, Erdbeben), Iran (1991, UN-Feldspital für ein Flüchtlingslager, Kurdenhilfe; 2003 Erdbeben), Albanien (1999, Feldspital für ein Flüchtlingslager und Trinkwasseraufbereitung), Türkei (1999, Erdbeben), Sri Lanka (2005, Tsunamikatastrophe, Trinkwasseraufbereitung), Pakistan (2005, Erdbeben, Trinkwasseraufbereitung), Griechenland (2007, Bekämpfung von Waldbränden).
Gegenwärtig sind insgesamt 950 Soldatinnen und Soldaten im Ausland eingesetzt. Seit 1960 haben über 100.000 österreichische Soldatinnen und Soldaten an Friedensmissionen teilgenommen; 60 von ihnen kamen dabei ums Leben.