· 

Frauen und Digitalisierung

Frau sitzt vor einem Notebook

Digitalisierung – wo sind die Frauen in der Gestaltung der digitalen Arbeitswelt?

 

Linda Scott behauptet in ihrem Buch „Das weibliche Kapital“ (Hanser Verlag 2020), dass Männer gar kein Interesse daran haben, mit Frauen gemeinsam für ein „gutes Leben für alle“ zu arbeiten. Männer beherrschen die Finanzmärkte und treiben die Digitalisierung voran. Seit gut 40 Jahren bemühen sie sich, menschliche Arbeitskraft durch digitale Leistung zu ersetzen. Sollen Frauen also durch Digitalisierung wieder ganz aus dem Arbeitsmarkt verdrängt werden?

 

Wie stark werden Frauen eingebunden in die Gestaltung der digitalen Arbeitswelt?

 

Die Entscheidung von Unternehmensleitungen für Digitalisierung kann doch nicht nur Gewinn- und Rationalisierungsrichtlinien folgen! Über die Einbindung von ArbeitnehmerInnen in die Entscheidung für einen digitalen Wandel in Betrieben ist wenig bekannt. Die Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch Digitalisierung nimmt zu, die Forderung der Wirtschaft nach mehr Flexibilität der ArbeitnehmerInnen bleibt.

 

Wie verändert sich die Arbeitswelt?

 

Sei es das Automatenhotel, das Online-Banking oder die Scankasse, die vollautomatische Reinigungsmaschine oder die Überwachungskamera, die Nutzung von Datenbanken zur Informationsbeschaffung oder das elektronische Amt, der Audioguide im Museum oder der Chatbot, der unseren Anruf in einem Callcenter entgegennimmt – sie alle ersetzen kommunikative Arbeitsplätze. Wie bald schon werden Pflegeroboter, sogenannte Care-O-bots, die mitmenschliche Arbeit in der Pflege und Betreuung ersetzen?

 

Plattformarbeit als digitales Modell der Arbeitsorganisation und Leistungserbringung sickert langsam aber stetig in den Arbeitsmarkt ein. Das reicht von der Befüllung von Datenbanken über kreative Arbeit und Übersetzungen bis hin zu administrativen und logistischen Dienstleistungen. Beim Crowdworking clicken zwar Personen, aber wer nicht gut genug „clickt“ wird durch ein algorithmisches Rating-System ausgeschlossen – weltweit. Steuerrechtliche und sozialversicherungstechnische Fragen sind bei der grenzüberschreitenden Plattformarbeit noch ungelöst, durch vorgetäuschten Wettbewerb gibt es anstelle von Löhnen oft nur Preise zu gewinnen.

 

Wie wirkt sich Digitalisierung auf den Einsatz menschlicher Arbeitskraft aus?

 

Die Zerlegung von Arbeitsprozessen in Einzelmodule reduziert nicht unbedingt den Arbeitsanfall, beeinflusst jedoch Leistungsdruck und Bewertung der erbrachten Leistungen. Eine unüberschaubare Informationsflut ist zu bewältigen, ständige Lern- und Einsatzbereitschaft wird gefordert. Elektronische Kontrollinstrumente sind zwar bekannt, werden jedoch nicht offen diskutiert. Mengen- und Zeitvorgaben zur Erfüllung von Aufgaben sorgen bereits innerbetrieblich für Vereinzelung, durch Homeoffice wird der persönliche Austausch in auswertbare Videokonferenzen verschoben. Mit elektronischem Feedback steigt die Verunsicherung und insgesamt entsteht der Eindruck, dass durch Digitalisierung jedes menschliche Maß in der Arbeitswelt verloren gehen kann.

 

Werden die gesundheitlichen Auswirkungen von digitaler Arbeit gezielt untersucht?

 

In den letzten Jahren wird über eine Zunahme der Arbeitsbelastung an sich berichtet und davon, dass psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt vermehrt auftreten. Ohne dass eine direkte Beziehung hergestellt wird, ist davon auszugehen, dass Digitalisierung die körperliche und psychische Gesundheit gefährden kann. Vor entgrenzter digitaler Arbeit wird zwar generell gewarnt, dennoch wurde der Zwölfstundentag gesetzlich ermöglicht. Teilzeitarbeit nimmt stetig zu, Arbeitszeitverkürzung fordern bislang nur GewerkschafterInnen. Unregulierte Digitalisierung trifft Frauen jedoch umso härter, weil von ihnen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von traditionellen Gesellschaftsformen auch noch das Erbringen von unbezahlter Arbeit eingefordert wird.

 

Die Digitalisierung unserer Arbeitswelt ist kaum aufzuhalten, daher wird es umso wichtiger, dass Frauen bei ihrer Entwicklung auf allen Ebenen mitreden und sich mit ihren großartigen und vielfältigen Fähigkeiten einmischen und einbringen.

 



Beate Neunteufel-Zechner

Beate Neunteufel-Zechner

 

Vorsitzende der UGÖD

Vorstandsmitglied der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB

Vorsitzende des Betriebsrates der Nationalbibliothek und der Betriebsrät*innenkonferenz der Bundesmuseen

Mitglied in Leitungsgremien der GÖD- und ÖGB-Frauen

 

Rückfragen:  +43 / 681 / 20 90 30 59

beate.neunteufel-zechner@ugoed.at