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Rückschau Bundeskonferenz 2019

von Laura Sturzeis

Bei wunderschönem Wetter fand von Freitag, 18. Oktober bis Sonntag 20. Oktober die Konferenz der Unabhängigen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (UGÖD) und der Unabhängigen Gewerkschaft im ÖGB (UG) statt. Der erste und letzte Halbtag waren der UGÖD gewidmet, der Samstag stand hingegen im Zeichen der UG-Bundeskonferenz zum Thema „Armut trotz Arbeit“. Als Veranstaltungsort diente das Parkhotel Brunauer in Salzburg.

 

UGÖD-Konferenz 1. Teil

 

Nach dem Eintreffen der UGÖD-Teilnehmer*innen aus den verschiedenen Bundesländern und vielen freudigen Wiedersehen wurde die UGÖD-Konferenz am Nachmittag durch die Vorsitzenden Beate Neunteufel-Zechner und Manfred Walter eröffnet und ausgezeichnet moderiert von Sabine Hammer. Mit fast 40 Teilnehmer*innen war es die größte GÖD-Tagung bisher.

 

Auf der Tagesordnung standen neben einigen Berichten, die Entlastung des Vorstandes, sowie die Wahl eines neuen Vorstandes. Hier fanden einige neue UGÖD-Mitglieder ihren Weg in den Vorstand.

 

 

Am Abend stand der inoffiziellere aber dafür umso emotionalere Auftakt der UG-Bundeskonferenz auf dem Programm: Die Verabschiedung von Markus Koza, der aufgrund seines Einzuges in den Nationalrat (für die Grünen) seine Funktion als UG-Vorsitzender zurücklegte. Denn die UG kennt im Unterschied zu den anderen Fraktionen ein striktes Unvereinbarkeitsgebot, das die Annahme eines Mandates als mit der UG-Funktion für unvereinbar erklärt.

 

Von Ost nach West, von den Eisenbahner*innen zu den Privatangestellten folgten Geschenke, Dankesworte und auch die ein oder andere Träne für den scheidenden Vorsitzenden. In zahlreichen Bargesprächen und hie und da auch hitzigen Diskussionen klang der Abend anschließend aus.

 


Auftakt UG-Bundeskonferenz

 

Am Samstag startete die UG-Bundeskonferenz mit dem Themenschwerpunkt „Armut trotz Arbeit“, die ebenfalls mit fast 90 Teilnehmer*innen so gut besucht war wie nie zuvor. Den Beginn machte die feministische Ökonomin Käthe Knittler (Statistik Austria) mit ihrem Vortrag „Working poor – Wen(n) Arbeit nicht vor Armut schützt.“ Vorab bestand bereits die Möglichkeit sich auf Basis von zwei Texten Knittlers in das Vortragsthema zu vertiefen.

 

Im Mittelpunkt steht dabei die Kritik Knittlers an den gängigen Indikatoren zur Armutsmessung, die bestehende Abhängigkeiten im Haushaltskontext nicht zu erfassen vermögen. Eindrücklich zeigt Knittler auf, dass der sozialpolitisch bedeutsame ESS-Indikator (European Social Survey) „in work poverty rate“, der die Armutsgefährdung Berufstätiger aufzeigen soll, dieser Aufgabe eigentlich nicht gewachsen ist.

 

 

Während dieser Indikator allen Befunden zum Trotz gar den Männern eine höhere Armutsgefährdung (8%) konstatiert als den Frauen (7%) ändern sich die Zahlen gravierend, wenn stattdessen auf die individuelle Gefährdung im Haushaltskontext abgestellt wird (Männer: 8 %, Frauen: 19 %). Diese Befunde sind im Einklang mit den Erkenntnissen, dass Frauen häufig durch Teilzeitarbeit und die Arbeit in Niedriglohnbranchen (insb. im Handel) geringere Löhne erhalten als Männer.

 

Nur bei Kombination der Daten auf Haushaltsebene (ESS) und individueller Ebene (Einkommen) lässt sich die Dimension der Abhängigkeit im Haushaltskontext halbwegs valide erfassen und damit auch die starke Abhängigkeit vieler Frauen von den Partnereinkommen aufzeigen, um nicht unter die Armutsgefährungsschwelle zu rutschen.

 


Armut trotz Arbeit

 

Da es sich bei Armut trotz Arbeit um ein komplexes Phänomen handelt, schlägt Knittler auch ein Bündel an Maßnahmen vor bzw. führt Maßnahmen an, die bereits gefordert werden. Darunter befindet sich z.B. der Mindestlohn von 1.700 Euro, eine Lohnsteuer- und Abgabensenkung, die Option bei KV-Verhandlungen die Gehälter der unteren Einkommensgruppen um einen Fixbetrag statt einem prozentuellen Anteil zu erhöhen, stärkere gewerkschaftliche Organisierung in Niedriglohnbranchen und andere spezifischere und allgemeinere Maßnahmen mehr.

 

 

Markus Koza verwies zudem auf die Wichtigkeit durchgängiger Beschäftigungsverhältnisse, da insbesondere prekäre und instabile Beschäftigung einen wesentlichen Grund für zu niedrige Einkommen darstellen. Vera Koller betonte in diesem Kontext die große Bedeutung der Vordienstzeiten-Anerkennung; und gerade diese sei in den Niedriglohnbranchen nicht im Kollektivvertrag verankert.

 


Lukas Wurz: Grundsicherung gegen Armut

 

Der zweite Vortrag des Tages kam von Lukas Wurz, der ein Grundsicherungsmodell als Instrument zur Sicherung gegen Armut trotz Arbeit skizzierte. Für Wurz ist klar, dass ein wirksames Grundsicherungsmodell sowohl Kinder- als auch Altersarmut aber ganz zentral auch Armut trotz Arbeit verhindern muss.

 

Der konzeptionelle Ausgangspunkt des Grundsicherungsmodells, das vor längerer Zeit bereits unter der Federführung von Karl Öllinger entwickelt wurde, ist die Anerkennung eines individuellen Grundsicherungsrechts auf Basis universaler Kriterien. Denn aktuell fußen viele Leistungen des österreichischen Sozialstaats auf dem Versicherungsprinzip und leiten sich damit vom Einkommen ab, das im Erwerbsleben erzielt wurde.

 

Das wirft gegenwärtig unter anderen Arbeitsmarktgegebenheiten als noch vor 50 Jahren Probleme auf. Denn während die sozialen Sicherungssystem noch auf Dauerbeschäftigung fokussieren – die Normalität der 1960er/70er Jahre – hat sich die Beschäftigungsrealität bis heute eklatant verändert. Gegenwärtig beträgt die durchschnittliche Beschäftigungsdauer 1,7 Jahre. Weitere Veränderungen betreffen die gestiegene internationale Arbeitskräfte-Mobilität als auch Veränderung der Lebensverhältnisse allgemein. Ein weiteres Beispiel sind veraltete Werte, wie die Regelbedarfssätze für Kinder, die auf Daten von 1964 basieren.

 

 

Beim Grundsicherungsmodell steht somit weniger die Frage im Vordergrund, warum man armutsbetroffenen Menschen helfen solle, als vielmehr die Frage danach, was diese Menschen brauchen, um aus dieser Notlage bzw. Lebenssituation wieder herauszukommen. Eine ganz wesentliche Aufgabe des Grundsicherungsmodells ist auch, sicherzustellen, dass Kinder das erhalten, was sie brauchen, um am Leben voll partizipieren zu können. Dem gegenüber steht als weitere Aufgabe die Sicherung von existenzsichernden Einkommen im Alter/Ruhestand.

 

Hier geht es um die Kombination einer Grundsicherungssäule, die absolute (Mindest-)Werte vorgibt, die nicht unterschritten werden dürfen und einer individuellen Säule, deren Höhe sich aus den Einkommen gemäß Erwerbsverlauf (und ggf. vorhandenem Vermögen) ergibt.  Eine weitere Herausforderung für den Sozialstaat ergibt sich durch die Digitalisierung, die zur Bedrohung für Gruppen werden könnte, die heute (noch) gut abgesichert erscheinen (Personen mit mittleren Schulabschlüssen). Die uns bevorstehenden Veränderungen der Arbeitswelt verweisen auf einen gestiegenen Reformbedarf des Sozialstaats und könnten der Diskussion um das hier skizzierte Grundsicherungsmodell neuen Auftrieb geben.

 


UG-Bundeskonferenz: Wahl neuer Vorsitzenden

 

Der zweite Teil der UG-Konferenz war – nach einigen Berichten - der Wahl des neuen Vorstandes gewidmet. Das wichtigste vorweg: Mit Vera Koller wurde nicht nur ein eingefleischtes UG-Mitglied als neue Vorsitzende gewählt, sondern auch ein starkes Signal an Frauen in gewerkschaftlichen Funktionen gesendet.

 

 

Als Vorstandsmitglied wurde für die UGöD Beate Neunteufel-Zechner in den UG-Vorstand, sowie Connie Lamm als Kassierin gewählt. Da die Bundeskonferenz früher endete, blieb Salzburg-Interessierten noch genügend Zeit, um durch die Stadt zu spazieren und so den zweiten Tag ausklingen zu lassen.

 


UGÖD-Konferenz 2. Teil: Vorbereitungen PV-Wahlen

 

Für UGÖD-Mitglieder folgte noch ein zweiter arbeitsamer Halbtag am Sonntag Vormittag, der ganz unter dem Zeichen des Austausches über die teilweise bereits angelaufenen oder im Anlauf befindlichen PV-Wahlkampfaktivitäten im öffentlichen Dienst stand.

 

Hier gab es mit der Kandidatur im Justizbereich, genauer: den zivilen Bediensteten in den Justizanstalten, erfreuliche UGöD-Neuzugänge. Sandra Gaupmann tritt hier erstmals bei den kommenden PV-Wahlen mit einer unabhängigen Liste für die UGÖD an.

 

Auch an verschiedenen Ministerien, darunter das Bundesministerium für Landesverteidigung, das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, sowie das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung – um nur einige zu nennen, den ausgegliederten Betrieben, wie z.B. dem AMS, der Nationalbibliothek oder der Statistik Austria, oder den Universitäten, ist die UGÖD im PV- und Gewerkschaftsbereich gut aufgestellt.

 

 

Die tatkräftige und professionelle Unterstützung bei der PR-Arbeit und der Produktion von Werbemitteln durch Andi Daniel ist ein Asset, von dem alle UGÖD-Mitglieder Gebrauch machen können und dass unsere Wahlkampfaktivitäten befeuert.

 

Am Ende dieses letzten überaus produktiven Halbtages wurden die Moderatorin Sabine Hammer, die Vorsitzenden Beate Neunteufel-Zechner und Manfred Walter, sowie Gary Fuchsbauer (UGÖD-Mitglied des GÖD-Vorstandes) mit Dank und Applaus bedacht.

 

In Summe war die Bundeskonferenz eine inspirierende Angelegenheit, bei der – trotz dichten Programms – der persönliche Austausch nicht zu kurz kam.