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Schule nach Corona und die soziale Frage

Gesamtschule, ÖGB, GÖD und ÖVP, SPÖ-Reformansätze

Lehrertisch mit Apfel und einem Bücherstapel

ÖGB fordert gemeinsame Schule

 

Der ÖGB fordert die gemeinsame Schule der 6-15-Jährigen, wenn auch nicht vehement, sondern programmatisch bei den ÖGB-Kongressen. 2018, beim 19. ÖGB-Bundeskongress hat GÖD-Vorsitzender und ÖGB-Vizepräsident Schnedl für die FCG klargestellt, dass seine Fraktion die ÖGB-Forderungen Gesamtschule und Vermögenssteuern nicht mitträgt.

 

GÖD eng verbunden mit sozialer Selektion und konservierendem Ist-Zustand

 

Die ÖGB-Teilgewerkschaft GÖD ist mit dem sozial selektierenden und Desintegration konservierenden Ist-Zustand des Bildungssystems eng verbunden, das verfassungsgesetzlich die Lehrer*innen in Bundes- und Landeslehrer*innen aufspaltet. AHS- und BMHS-Lehrer*innen haben den Bund als Dienstgeber, APS- (Volksschule, Mittelschule, Sonderschule, Polytechnische Schule) und Berufsschullehrer*innen das Land, für Land- und Forstwirtschaftliche Schulen ist auch das Landwirtschaftsministerium zuständig. Die Personalkosten der Pädagog*innen aller Schulen zahlt direkt oder über den Finanzausgleich mit den Ländern der Bund.  Verbindlich wirkt die parteipolitische Verbundenheit der FCG mit der Bundes-ÖVP und der ÖVP-geführten Bundesregierung sowie in 6 Bundesländern mit der dort regierenden ÖVP, mit den ÖVP-Landeshauptleuten und den ÖVP-dominierten Bildungsdirektionen, deren Personalabteilungen die Bundes- und Landeslehrer*innen einstellen und verwalten. 

 

Verbindlich wirken auch Eigeninteressen von FCG-Funktionär*innen in Personalvertretungen und in der GÖD an Dienstfreistellungen, an guten Kontakten in Bildungsdirektion bzw. Bildungsministerium und damit auch gute Chancen für Direktor*innen- und Schulaufsichtsposten im Bundes- bzw. Landesschuldienst, manchmal auch für Parteikarrieren. Aufstiegschancen bieten auch fünf (!) FCG-dominierte Lehrer*innenvertretungen in der GÖD mit 5 Vorsitzenden von 5 GÖD-Bundesleitungen und von jeweils 8 Landesleitungen (in Wien agiert die Bundesleitung als Landesleitung). Dazu kommen - oft in Personalunion - die zentralen, d.h. mit Freistellungskontingenten ausgestatteten Personalvertretungsorgane: 2 Zentralausschüsse und je 9 Landes-Fachausschüsse der Bundeslehrer*innen AHS und BMHS sowie 2x9 Zentralausschüsse der Landeslehrer*innen in Pflichtschule und Berufsschule und 8 ZAs der Landwirtschaftslehrer*innen und dazu noch der ZA-BMLRT zu dem die Lehrer*innen an höheren Landwirtschaftsschulen gehören.

 

Die Kompetenzverteilung Bund – Länder ist in den Schulgesetzen von 1962 verankert.

 

Die gemeinsame ganztägige Schule, in der sozial-integrativ und individuell fördernd acht Jahre lang die bestmögliche Allgemeinbildung für alle versucht werden kann, braucht eine gemeinsame Bundeskompetenz für Schulen und Personal, braucht einen öffentlichen Dienstgeber für alle Lehrer*innen statt derzeit 10 (Bund + 9 Länder). Für diese demokratische Neuaufstellung der österreichischen Schule braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Und die wird es ohne offene, auch kontroversiell geführte Diskussion nicht geben. Dass es ohne diese Diskussion und breite Bewegung keine tiefgreifende Reform gibt, hat die Ära Kreisky gezeigt. Trotz absoluter Mehrheit und großer Reformbereitschaft in der Bevölkerung (Linke und SPÖ, Kinderfreunde, Gewerkschaften, reformbereite Christ*innen, Caritas, Diakonie …) hat die SPÖ-Führung die Auseinandersetzung mit den Landesfürsten und dem bildungsbürgerlichen Flügel der ÖVP in der Schulfrage vermieden, auch mit den BSA-Aufsteiger*innen und AHS-Lehrer*innen, die den eigenen Kindern wenigstens einen Bildungsvorsprung vor den Hauptschüler*innen sichern wollten.

 

Unter Bundesministerin Claudia Schmid kam es zu einem neuen Anlauf in der Gesamtschulfrage, aber die AHS-dominierten GÖD-Lehrergewerkschaften im Verein mit neoliberal-restriktiv agierenden ÖVP-Finanzministern und mächtigen ÖVP-Landeshauptleuten haben ihre Macht demonstriert und die SPÖ hat sie und die gemeinsame Schule allein im Regen stehen gelassen. Der versuchte Umweg über die Neue Mittelschule hat mit dem Auswechseln von Türschildern geendet.

 

Immerhin konnte das Lehrer*innendienstrecht unter SP-Ministerinnen vereinheitlicht werden, ein neues Pädagog*innen-Dienst- und Besoldungsrecht kann auch als erster Schritt in Richtung Gesamtschule gesehen werden. Die von AK und ÖGB unterstützte Reform brachte zwar gleiche Bezahlung für Landes- und Bundeslehrer*innen – allerdings ohne Sozialpartnereinigung als reales Downgrading auf L2-Niveau. Die PH-Lehrer*innenausbildung wurde aufgewertet, Masterabschlüsse als Berufserfordernis wurde festgeschrieben, für viele genügt aber de facto der Bachelor (1). Eine gemeinsame Lehrer*innenbildung an Universitäten wurde nicht durchgesetzt, die Pädagogischen Hochschulen wurden nicht in Pädagogische Fakultäten oder Universitäten integriert und damit blieb in der neuen Pädagog*innenbildung zu Vieles beim Alten.

 

Kooperationen zwischen PH und Unis gibt es nur in Ansätzen. Kooperationen und Austausch von Mittelschulen (Allgemeinbildende Pflichtschulen) mit AHS-Unterstufen (allgemeinbildend, aber keine Pflichtschulen) oder von Berufsschule (Landeslehrer*innen) mit BMHS (Bundesschulen) gibt es de facto nicht.

 

Fazit

 

Fazit: Vor den Pädagog*innengesetzen (Dienst- und Besoldungsrecht, Aus-Bildung) waren Lehrerbildungsanstalt (LBA), Pädagogische Akademie (PädAk) und schließlich PH (Pädagogische Hochschule) die Ausbildungsstätten für L2-Lehrer*innen (APS, BS, Fachpraktiker*innen an mittleren und höheren Schulen), während eine „vollakademische“ Ausbildung mit Magister bzw. Master-Abschluss an einer Universität für den Bundesdienst an AHS und BMHS qualifiziert hat. Heute bekommen künftige Primarstufenlehrer*innen und Fachpraktiker*innen ihre Bachelor/Masterausbildung an der PH, während Sekundarstufe 1 (MS bzw AHS Unterstufe) und 2 (AHS Oberstufe bzw BMHS) -Kolleg*innen ihren Bachelor/Master an der Universität machen -  ganz gemeinsam geht es offenbar doch noch nicht.

 

Was tun für einen demokratischen Neubeginn im Bildungswesen?

 

Analysieren, kritisieren und am Ende erst recht wieder resignieren, macht niemanden froh. Wir wollen mehr. Mehr Demokratie, mehr Freud' am Lernen und am Leben für alle.  Wer, wenn nicht wir?

 

 


PS: "Es ist alles sehr kompliziert." (Fred Sinowatz, pannonischer Philosoph, Unterrichtsminister 1971-83, Bundeskanzler 1983-86)

 

Endnote:

(1) Die von AK + ÖGB unterstützte gemeinsame tertiäre Lehrer*innenausbildung ist Stückwerk geblieben. Das Lehramt an AHS-Oberstufe und BMHS verlangt in den meisten Fächern einen Uni-Master, an Volks-, Mittel-, Berufs- und Polytechnischer Schule (formal auch an der AHS-Unterstufe) genügt der Bachelor-Abschluss für den Berufseinstieg und innerhalb von 5 Jahren ist berufsbegleitend der Master zu machen; ein Dauervertrag ist im 6. Jahr bei Bedarf aber auch ohne zu geben.

 


Reinhart Sellner

Reinhart Sellner

 

Ehem. Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), ehem. Bereichsleiter für gewerkschaftliche Bildungsförderung der

Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD),

AHS-Lehrer im Ruhestand

 

+43 / 676 / 34 37 521
reinhart.sellner@ugoed.at

 

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