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Offener Brief der Unabhängigen GewerkschafterInnen im Strafvollzug

Eine Gefängnismauer mit Nato-Draht. Bildtext: Justiz - Offener Brief

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Vergessene Held*innen?

 

Dieses Jahr - 2020 das Jahr der Pflege - gestaltet sich aufgrund der Corona-Krise besonders schwierig. Seit der Spanischen Grippe zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Bevölkerung nie wieder einer vergleichbaren Situation gegenübergestanden - bis jetzt.

 

Gerade in dieser schweren Zeit mit all ihren Herausforderungen gibt es Berufsgruppen, die in der Vergangenheit nicht jene Aufmerksamkeit bekommen haben, welche sie verdient hätten und in diesem Zusammenhang mit ihren Forderungen vertröstet wurden. Aber genau in dieser Situation erweisen sie sich als Erhalter der kritischen Struktur und werden gerne von ganz Österreich „Held*innen“ genannt.

 

Tägliche Herausforderung

 

Eine dieser Berufsgruppen ist die Gesundheits- und Krankenpflege in der Justiz. Die Pflege sorgt für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit nach Krankheit und Begleitung/Unterstützung in allen Lebenslagen. Sie ist für die gesamte krankenpflegerische Versorgung aller sich im Vollzug befindlichen Menschen verantwortlich. Zusätzlich beschafft und verwaltet sie Medikamente, Material, Schutzausrüstungen sämtliches Equipment, welches zur Bewältigung der täglichen Herausforderung benötigt wird.

 

Die Pflege ist die erste Anlaufstelle, für Anliegen und Fragen, speziell auch rund um das Virus SARS-CoV-2 und die Krankheit COVID-19. Für sämtliche Fragen rund um die Hygiene in Justizanstalten ist der Pflegebereich - insbesondere im Zusammenwirken mit dem Justizwachkommando - ebenfalls zuständig. Das ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt der Tätigkeiten, der zeigen soll, dass ohne Pflege die Betreuung und Behandlung der Insassen und somit auch eine Resozialisierung - insbesondere im Rahmen des Informierens und des Unterstützens beim Erlernen von basalen Hygienemaßnahmen - und der reibungslose Betrieb des Gefängnisses, nicht möglich ist.

 

Hohes Gefahrenpotential, schlechte Bezahlung

 

Den Pflegebediensteten war von Anfang an klar, dass mit Beginn der Krise eine schwierige Zeit auf sie zukommen wird und jede/r einzelne gebraucht wird. Das zeichnet die Krankenpflege aus: eine qualitative Erledigung der Aufgaben in guten, aber auch in herausfordernden bzw. „schlechten“
Zeiten.

 

Als Pflegebedienstete/r im Strafvollzug arbeitet man zudem in einem sehr speziellen Bereich mit strengen Auswahlkriterien und einer von vornherein geringen Anzahl an Bewerber*innen, da es sich um ein Gefängnis und daher um einen Hochsicherheitsbereich mit großem Gefahrenpotential handelt. Viele Bewerber*innen sind vor allem wegen der unattraktiven Bezahlung nicht bereit sich den Herausforderungen in einer Justizanstalt zu stellen. Jene, die dieser Tätigkeit nachgehen, müssen – ob der Bezahlung – vielfach zwei oder drei verschiedenen Arbeitsverhältnissen nachgehen.

 

Was wir nicht brauchen:

 

ist Applaus, schöne Worte und schon gar nicht leere Versprechungen.

 

Was wir brauchen:

 

sind endlich Taten und Veränderungen:

  • 35 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich erscheint in Anbetracht der körperlichen und psychischen Belastung mehr als gerechtfertigt
  • Gewährung der Psychiatriezulage, da es sich oftmals um einen psychiatrischen Spezialbereich handelt, in dem vorwiegend geistig abnorme Rechtsbrecher betreut werden
  • Umstellung vom veralteten K-Schema auf das Gehaltsschema W 2/10 inklusive aller Zulagen
  • Zwei Nachtgutstunden pro geleisteten Nachtdienst, wie es bei anderen Arbeitgebern längst üblich ist
  • Nachtdienstzulage in Höhe von mindestens € 90,- netto als gerechte Entschädigung
  • Berücksichtigung von Fehlzeiten bei der Personalbedarfsberechnung, um vorhersehbare Engpässe rechtzeitig kompensieren zu können
  • Etablierung einer Pflegedirektion in der Generaldirektion
  • zusätzliche Planstellen in den Justizanstalten
  • Leitungen der Krankenabteilungen
  • Planstellen für Advanced Nursing Practice (ANP) in ärztlicher Funktion
  • Anrechnung, adäquate Einsetzung und monetäre Berücksichtigung akademischer Fort- und Ausbildungen

Zudem fordern wir für zivile Bedienstete im Strafvollzug Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Nicht nur Justizwachebeamt*innen leisten hervorragende Arbeit in den Justizanstalten, sondern auch zivile Bedienstete (Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Ergotherapeut*innen, Jurist*innen, Ärzt*innen, Verwaltungsbedienstete, Handwerker*innen, (Sozial-)Pädagog*innen, Therapeut*innen, Sozialbetreuer*innen, Seelsorger*innen und andere) tragen zur inneren und äußeren Sicherheit und zur Resozialisierung bei. Nicht umsonst spricht das Strafvollzugsgesetz größtenteils von Strafvollzugsbediensteten und nur in wenigen Ausnahmefällen explizit von der Justizwache. „Strafvollzug“ sind wir alle – mit allen sich aus dem Gesetz ergebenden Verpflichtungen und Kompetenzen. Wie Sie erkennen können, arbeiten eine große Anzahl an unterschiedlichen Professionen im Strafvollzug. Strafvollzug war und ist inter-, wenn nicht transdisziplinär. Auch diese Berufsgruppen brauchen Anerkennung, Aufstiegschancen und eine adäquate Bezahlung.

 

Wir – zivile Bedienstete – brauchen:

  • eine Verdienstanpassung an Landesbedienstete
  • eine finanzielle und karrieretechnische Gleichbehandlung von Planstelleninhaber*innen und Justizbetreuungsagenturbediensteten
  • ein modernes Personalmanagement (vermehrt zivile Bedienstete in den Stellen, Hauptsachbearbeiter*innen, adäquate Aufstiegs- und Karrierechancen zur Justizwache)
  • Anerkennung des akademischen Studiums für Sozialarbeiter*innen
  • Umsetzung des Maßnahmenvollzugsgesetzes, inkl. Schaffung von Bundespsychiatrien und eine Zusammenarbeit von Justiz- und Gesundheitsministerium
  • Leitungsfunktionen für alle zivile Bereiche
  • Anstaltsleitungen, Strafvollzugsleitungen, stv. Anstaltsleitungen für alle Akademiker*innen
  • Duale Führungen in Abteilungen (Betreuungsdienst und Justizwache)
  • Implementierung von Telearbeit in einzelnen Bereichen
  • mehr ziviles Personal, damit die Justiz – wie von Dr. Jabloner bereits festgestellt - eben nicht zu Tode gespart wird.

 

 

Sandra Gaupmann

Mitglied der UGÖD-Bundesleitung

stv. Vorsitzende des ZA NiEx

 

Christian Husch

unabhängiger Gewerkschafter der UGÖD

 



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