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Zur Bedeutung eines objektivierten und anonymisierten Aufnahmeverfahrens für den Staatsdienst in Österreich

Bildmontage: Ein Hund im Anzug

Dieser Beitrag umreißt einen wichtigen Teil der Thematik des UGÖD-Cafés „Postenschacher“ vom 25. Jänner 2023 und liefert gleichzeitig Hintergrundinformationen zum offenen Brief an Vizekanzler Werner Kogler vom 17. Februar 2023.

 

 

APA-Pressemeldung:


 

Zur Bedeutung eines objektivierten und anonymisierten Aufnahmeverfahrens für den Staatsdienst in Österreich und Verbesserungen der Verfahren bei Führungspositionen als dringende Maßnahme und follow-up des zu Ende gegangenen Untersuchungsausschusses (ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss)

 

Eines der Ziele des zu Ende gegangenen Untersuchungsausschusses (UA) lautete wie folgt:

 

Die Untersuchung soll die Grundlage für zukünftige gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung der Korruptionsprävention, zur Verminderung der Missbrauchsanfälligkeit bei der Vergabe von Finanzmitteln und Funktionen sowie zur Stärkung der Kontrollmechanismen bilden. 

 

Im Hinblick auf die im Rahmen des UA besprochenen konkreten Fälle aber auch vielfach in der Öffentlichkeit seit Jahrzehnten bekannten Vorwürfe von „Parteibuchwirtschaft“, „Freunderlwirtschaft“ oder „Postenschacher“ zeigt sich mehr denn je die Notwendigkeit einer Anpassung des Aufnahmeverfahrens in den Staatsdienst an westliche Standards.

 

I.    Allgemeiner Rahmen für die Aufnahme in den Staatsdienst

 

2006 hat Österreich die UN Antikorruptionskonvention ratifiziert, welche im Artikel 7.1. festhält: „Jeder Vertragsstaat ist soweit angemessen … bestrebt, für die Anwerbung, Einstellung, Beschäftigung, Beförderung und Pensionierung von Beamt:innen ... Regelungen zu beschließen, … die auf den Grundsätzen der ...Transparenz sowie auf objektiven Kriterien wie Leistung, Gerechtigkeit und Eignung beruhen.“ In vielen anderen EU Ländern wie z.B. in UK, IRL, DE, FR und BE, ja sogar außerhalb der EU, in Indien, gehören objektive Aufnahmeverfahren zum Standard eines modernen öffentlichen Sektors. Auch die EU Institutionen organisieren strenge objektive Aufnahmeverfahren mittels der Agentur EPSO (European Personnel Selection Office), was naturgemäß mit hoher Leistung und Qualität des EU Beamtenapparates einhergeht. Ein parteiunabhängiger Beamtenapparat hat den Vorteil, dass die besten Köpfe bestellt werden, Sachpolitik betrieben wird und die langfristigen Staatsziele der Republik Vorrang haben vor allfälligen kurzfristigen parteipolitischen Interessen oder Interventionen.

 

 

Dem österreichischen Ausschreibungsgesetz unterliegen jedoch nur Leitungsfunktionen ab A1 5. In Österreich existiert (mit Ausnahme des BMEIAs [Außenministeriums], dazu sh. weiter unten) bis heute kein gesetzlich geregeltes, transparentes, objektives, anonymisiertes und auf qualitative Kriterien aufgebautes Aufnahmeverfahren [1] für den Staatsdienst (ebenso bei den Ländern). Dies stößt international zu Recht auf Verwunderung und kann unter dem Untersuchungsziel des UA „...inwieweit die gesetzlichen Regelungen lückenhaft sind…“ subsumiert werden. Es finden für Bundesministerien in Österreich weder allgemeine Ausschreibungen noch davon abgeleitete Aufnahmeverfahren statt. Wie es die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Griss formuliert hat [2] besteht die Gefahr, dass die Aufnahme der Bediensteten am Anfang der Karriere nach politischen Kriterien erfolgt. Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist wird von der Tatsache erhärtet, dass bei den Personalvertretungswahlen die Ergebnisse der politischen Farbe der/s Ministerin/s in der Vergangenheit (zumindest bis zur letzten Koalition) entsprechen: Auf der einen Straßenseite gibt es einen großen Erfolg der FSG, auf der gegenüberliegenden Straßenseite der FCG…, statistisch nicht erklärbar.

 

Wenn die Aufnahme von Beamt:innen jedoch nicht auf Basis eines Wettbewerbs und der fachlichen Qualifikation erfolgt, werden diese ihre ganze Karriere lang sich nicht nur der Republik verpflichtet fühlen, sondern auch einer Partei, und könnten in unterschiedlichem Ausmaß „beeinflussbar“ sein. Es muss nicht so extrem kommen wie zuletzt bekannt "Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!", aber es könnte schon eine sanfte Erinnerung, wem man den lebenslangen Job zu verdanken hat, genügen.

 

Nur das BMEIA verfügt aus Zufall (beim Wiederaufbau nach dem II. WK wurde die Vorgangsweise in Frankreich kopiert) seit Jahrzehnten über ein gesetzlich abgesichertes objektives und anonymisiertes Aufnahmeverfahren (sog. Préalable), sodass weder Parteibuch, Parteinähe oder „Vitamin B“ notwendig sind, um in diesem Ministerium auf Basis des freigewordenen Planstellenkontingentes aufgenommen zu werden.



[2] Griss: …..Nämlich dass wir im öffentlichen Dienst bis heute kein wirklich objektives Auswahlsystem haben, mit Ausnahme der Assessment-Center für angehende Richter und Staatsanwälte und des A-Préalable im Außenministerium. Dies bedeutet leider ein Einfallstor für solche Behauptungen. Denn der gelernte Österreicher glaubt, jede Regierungspartei besetzt sämtliche frei werdenden Posten in den von ihr geführten Ministerien und nachgeordneten Behörden mit Vertrauensleuten.

STANDARD: Wie könnte man dem besser entgegentreten?

Griss: Wir brauchen endlich ein objektives Auswahlverfahren für den gesamten öffentlichen Dienst – und zwar ähnlich den Concours auf europäischer Ebene, im Zuge derer jedes Jahr festgelegt wird, wie viele Fachkräfte gebraucht werden, welche Kriterien sie erfüllen müssen, und am Schluss wird bewertet, wer von Bewerber:innen die höchste Punktezahl erreicht. Nur dann haben diejenigen Chancen auf einen Posten, die tatsächlich am besten abschneiden. Eine neue Regierung wäre den Bürger:innen ein derart nachvollziehbares Verfahren schuldig.

 

 


II. Die Einführung eines für einen OECD Staat längst fälligen objektiven Aufnahmeverfahrens AM ANFANG der Laufbahnen im Staats- (und Landes-)dienst.

 

Solange die Aufnahme von Staatsdienerinnen und -dienern nicht auf Basis von breiten (Siehe Wettbewerb mit Auswahl der Besten. Am Bsp. EPSO: 20.000 Bewerber:innen für 200 Planstellen, BMEIA: 200 Bewerber:innen für 10-15 Planstellen), anonymisierten, objektiven und auf messbare Qualitätskriterien ausgerichteten Aufnahmeverfahren stattfindet, sondern Posten – selbst wenn ausgeschrieben – einzeln vergeben werden, wird bei Postenbesetzungen die traditionelle öst. „Parteibuchwirtschaft“ nicht zu vermeiden sein. Ob wie in Deutschland [1] gesetzlich verankert „jeder Österreicher nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“ hat, darf derzeit angezweifelt werden. Beispiele für transparente und effiziente Aufnahmeverfahren als Grundlage für eine Einführung in Österreich gibt es in vielen OECD-Ländern, bei der EU (EPSO) und in Österreich im BMEIA (Préalable).



[1] Nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 S. 1 HBG iVm § 9 BeamtenstatusG gilt das Leistungsprinzip, auch Prinzip der Bestenauslese genannt: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“

III. Die Qualitätssicherung des gesamten Aufnahme- bzw. Besetzungsprozesses für Leitungsfunktionen

 

In Österreich ist mit dem Ausschreibungsgesetz die erste Stufe von Ernennungsverfahren relativ gut abgesichert. Da die Nicht-Einhaltung der im AusG vorgesehenen Prinzipien jedoch keine Folgen hat (außer extrem schwere Einbringung zivilrechtlicher Schadenersatzklagen) und unterlegene Bewerber den Ernennungsprozess auch nicht kurzfristig aufhalten können, ist das Ausschreibungsgesetz in der öst. Praxis „zahnlos“. Die Qualität des gesamten Ernennungsprozesses im Sinne des Staates aber auch der Mitbewerber sollte, in Anlehnung an die Rechtslage in

Deutschland, zumindest Folgendes enthalten:

·       dienstliche Beurteilungen der Bediensteten (wurde in Österreich aufgehoben), damit die Beurteilung entsprechender Ausschreibungskriterien objektiv gemessen werden kann. Hier könnte z.B. in allen Ministerien das 360° Feedback eingeführt werden

·       die bestmögliche Entpolitisierung bzw. Vermeidung der de facto fehlenden Unabhängigkeit der Begutachtungskommissionen

·       die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes (Eilantrag beim VwGH) von unterlegenen Bewerber:innen (wodurch eine sehr starke a priori Kontrolle von nicht qualifikationsgestützten Entscheidungen gegeben wäre)

·       im Extremfall die Möglichkeit der Rücknahme willkürlicher Ernennungen auf Basis von Urteilen des VwGH    

·       die Einhaltung des Personalvertretungsgesetzes während des gesamten Verfahrens

 

 

Unabhängige GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst und in ausgegliederten Betrieben (UGÖD)

 

Mag. Dr. Sabine Hammer, Mag. Ingo Hackl (Vorsitzende)

Dr. Stefan Schön (Pressesprecher)